Klosterhöfe

Göttweiger Hof

Funktion als Klosterhof gesichert

Erhaltungszustand

Bestand erhalten

Kloster oder Institution

Zugehörigkeit:

Datierung

Historisch
1164 angenommen – 1853 gesichert
Bauhistorisch
? – ?
Die Laufzeit der klösterlichen Nutzung anhand historischer oder bauhistorischer Daten.

Zugänglichkeit

Kein Zugang

Das Objekt ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich

Verortung

Lagebeschreibung

Der Göttweigerhof befindet sich in der Nordostecke der Altstadt von Stein an der Donau zwischen der Steiner Kellergasse und der Dr.-Karl-Dorrek-Straße. Der Zugang erfolgt von der Steiner Landstraße über die Göttweigerhofgasse, die Anlage ist aber seit dem 19. Jh. auch rückseitig von der Steiner Kellergasse aus durch eine Tordurchfahrt erschlossen.

Thomas Kühtreiber, "Göttweiger Hof" (Lagebeschreibung) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/15-gottweiger-hof

Historische Daten

Besitzgeschichte

Die auf den 9.9.1083 datierte Urkunde, mit der Bischof Altman den Stiftungsbrief für das von ihm gegründete Kloster Göttweig ausstellte, wurde lange Zeit für echt befunden und erst um 1900 als eine geschickte Fälschung aus der Zeit nach 1164 erkannt (vgl. StiA Göttweig, 1083 Sep 9). Unter den Dotationen des Klosters wird unter vielen anderen genannt: ad Steini beneficium Pezilini (in Stein das Gut des Pezilinus). Ob mit dieser Nennung der Standort des späteren Göttweiger Hofes gemeint ist, muss allerdings offenbleiben.

Die Erstnennung des Stiftshofes in Stein erfolgte in einer Urkunde des Jahres 1286, in der der Kremser Stadtrichter Irnfrid und die geschworenen Räte der Stadt Stein dem Stift Göttweig dessen altes Recht beurkundeten, im Stiftshof in Stein (in sua curia sita in Stain) jährlich 20 Fuder Wein in kleinem Maße auszuschenken. Außerdem wurde festgelegt, dass vom Stiftshof keine Steuer eingehoben werden durfte, außer, wenn im Notfall die Wiederherstellung der Stadtmauer gefordert werden würde (StiA Göttweig, 1286 Juni 25). Die Bezeichnung altes Recht (ex antiquo iure) deutet auf einen bereits länger bestehenden Stiftshof hin.

In einem Leibgedingevertrag über einen Hof in Furth aus dem Jahr 1313 wurde unter den Zeugen der Walchuen, broebst ze Stain genannt (StiA Göttweig, 1313 März 25).

1319 beurkundeten die Brüder Andre, Rapot und Nycla, Söhne des Mathes von Urfahr (Vruar) im Stiftshof in Stein dem Abt Marichart und dem Konvent zu Chotweig das dem Stifte von alters her zustehende Recht, in seinem Hof zu Stein einen Fergen (Schiffer) zu beschäftigen, der die Angehörigen des Stiftes, die in seinen Höfen sein Gesinde bildeten, sowie sein Gut an Wein, Getreide, Holz oder sonstigen Gütern an dem obern urvar ze Stayn ohne Hindernis und Entgelt über die Donau zu bringen hatte. Als Gegenleistung hatte das Stift jährlich 2 Muth Korn vor sand Michelstag (29.9.) und 2 Pfund Pfennig an sand Mertentag (11.11.) aus seinem Hof zu Stein an die Brüder von Urfahr zu zahlen (StiA Göttweig, 1319 April 4).

1443 wurde ein Schiedsgericht zur Klärung verschiedener strittiger Punkte zw. den beiden Städten Krems und Stein und dem Kloster Göttweig abgehalten. U.a. wurde dabei auch eine Bauangelegenheit thematisiert. Gemäß der Erinnerung der Stadt ließ Abt Peter einen zw. der Ringmauer und dem Hof in Stein gelegenen Turm abreißen (den Abt Peter guter gedechtnuß in der Stat Rinkchmawr und seinem Hof zu Stain gelegen hat abprechen lassen). Seine Nachfolger als auch Abt Lukas und Abt Thomas hatten versprochen, diesen wieder aufzubauen, was aber bisher nicht geschehen war. Nun sollte dieser Turm nach dem Rat ains Haubtman oder phleger baider Stet Krembs und Stain mit gemewr und czimer von den Werkleuten des Klosters wieder aufgebaut werden (StaA Krems, 1443 Feb 11).

1839 wurde der Hof an die Klosterfrauen vom Allerheiligsten Erlöser verkauft (vgl. Starzer 1903, S. 480), die ihn wiederum 1853 an die SG Stein verkauften (vgl. BG Krems, GB Stein IIa, 202v).

Helga Schönfellner-Lechner, "Göttweiger Hof" (Besitzgeschichte) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/15-gottweiger-hof

Wirtschaftsgeschichte

Im Stiftsarchiv Göttweig sind zudem 2 Inventare des Göttweiger Hofes aus den Jahren 1530 und 1587 erhalten, die beim Amtsantritt eines neuen Hofmeisters aufgenommen wurden und eine Aufzählung der Wohn- und Wirtschaftsräume des Hofes sowie den Inhalt der Räume (Möbel usw.) beinhalten (vgl. Landkammer 2018).

Beim Amtsantritt des Hofmeisters Herman Padt 1530 wurden folgende Räume genannt: des Herrn Stuben und Kamer (2 Räume), eine Gast Kamer daneben, Hofmeister Stuben und Khamer, Gast Khamer, Kellner Khamer, Schreiber Zymer, Capelln, Pad Stubl, Preshaws, Holtz Kamer. Eine Küche wird nicht genannt, allerdings eine detaillierte Aufstellung des Kuchlgschirrs. Auch die Weine in 3 verschiedenen Kellern – insgesamt 557 urn – werden detailliert nach Fässern angegeben (StiA Göttweig, Inventari und Handlung des Hoffs zu Stain anno 1530).

Mit dem zum Amtsantritt des Hofmeisters Michael Herrlich angefertigten Inventar des Jahres 1587 weicht die Aufzählung der Räume von jener aus 1530 etwas ab – Hofmeister Stube und Schlaff Chamer sowie Praelaten Zimmer und khlain Stübl samt Chamer daran sowie die Capelln bleiben gleich, das Schreiberzimmer wird als Rait Chamer bez. Als neue Räumlichkeiten werden ein Altan und ein Saal erwähnt, an Wirtschafträumen wird nur die Presse genannt (StiA Göttweig, Inventarium den Göttweyger Hoff zu Stain betreff 1587).

Ab 1521 sind die Rechnungsbücher des Hofes erhalten, in die vom Hofmeister die Einnahmen und Ausgaben detailliert eingetragen wurden. Das Rechnungsbuch von 1521 belegt in der Rubrik Ausgaben auf Paw und Pesserung des Hoffs einen Um- oder Neubau der Badestube.

Besonders umfangreich ist die Rubrik Ausgab auf Allerley zerung und pottenlon (Verpflegung und Botenlohn), die einen interessanten Einblick in den Alltag des Hofes bzw. Hofmeisters vermittelt.

Der Abt von Göttweig benützte den Hof als Ausgangspunkt für Reisen nach Wien – er übernachtete dort und fuhr am nächsten Tag mit dem Schiff nach Wien. Bei der Rückreise mittels Wagen übernachtete er in Stein und fuhr erst am nächsten Tag nach Göttweig. Oft wurden zum Abendessen bzw. Frühstück auch Gäste wie der Pfarrer (von Stein), der Mautner mit Ehefrau, der Mautamtsgegenschreiber, die Frau Priorin (Dürnstein?), der Probst von St. Andrä sowie andere eingeladen und ausgiebig bewirtet; z.T. übernachteten sie mit Gesinde im Hof und wurden am nächsten Tag mit Frühstück versorgt.

Auch die Reisen des Hofmeisters, vornehmlich mit Pferd und Knecht, sind detailliert vermerkt: nach Ernstprunn, Altenwörth, Neustift, in das Ambt – zur Abhaltung des Pantaidings, Einnahme der Dienste, Verteilung der Steuerzettel u.a. Ebenso sind mehrere Reisen nach Wien vermerkt. M. Dezember wurde er vom Abt nach Wels geschickt – die einzelnen Tagesritte und Ausgaben sind genau verzeichnet; die Rückreise erfolgte am Wasser. Erst gegen M. Jänner traf er wieder in Stein ein (StiA Göttweig, Hofmeisterrechnung 1521).

, "Göttweiger Hof" (Wirtschaftsgeschichte) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/15-gottweiger-hof

Gebäude und Bauhistorie

Baubeschreibung

Der Göttweigerhof präsentiert sich heute als überwiegend 2- bis 3-geschossige Anlage, die durch zwei Höfe gegliedert ist: Von der Steiner Landstraße kommend erreicht man zunächst den kleineren Vorhof, der am der W-Seite vom Kindergarten und an der O-Seite von ehemaligen Lager- und Wirtschaftsräumen des Klosterhofs begrenzt wird. Diese gliedern sich in einen 2-schiffigen, hallenartigen Hauptraum mit Mittelpfeiler und Kreuzgratgewölben, an den südl. ein schmaler Raum mit Tonnengewölbe bzw. Kreuzgratgewölbe im hinteren Raumteil anschließt. Hofseitig sind diesen massive Mauerpfeiler vorgelagert, die im OG die Hoffassade tragen. Die Binnengliederung ist rezent zur Schaffung von Wohneinheiten.

Durch eine spitzbogige Tordurchfahrt, über der sich eine Kapelle befindet, erreicht man den großen Innenhof, der heute von 3 Seiten – dem N-Trakt mit risalitartigem Vorsprung, dem O-Trakt, der an der Außenseite Teile der ehemaligen Stadtmauer integriert, und dem S-Trakt mit besagter Torkapelle umfasst. Eine Tordurchfahrt zwischen N- und O-Trakt vermittelt zu einem weiteren, kleinen Hof, dessen nördl. Außenbegrenzung die Stadtmauer entlang der Steiner Kellergasse bildet. Ein Durchbruch zwischen dem nordöstl. Eckturm der Stadtbefestigung und der westlich anschließenden Kurtine erschließt den Göttweigerhof von N. Durch Umbaumaßnahmen im Jahr 1981 für Wohnbauten besitzt der Hof heute eine einheitliche Fassadengestaltung mit weißlich-grauem Putz. Die modernen Kastenfenster besitzen hofseitig weiße Putzfaschen, an der O-Fassade sind sie durch vorspringende Sohlbänke aus Ziegeln charakterisiert. Davon sind Fenster früh- bzw. spätgotischer Bauphasen klar abgegrenzt und sind damit wichtige Indikatoren für die Baugenese der Anlage.

Strukturell zeichnet sich der 3-geschossige N-Trakt durch eine durchgängige Kellerröhre aus, die durch eine Treppe im leicht nach O versetzten Risalit erschlossen ist. An diese schließt unter dem heutigen N-Hof eine zweite Kellerröhre an, die von ersterer aus begangen werden kann. Im 1. OG befindet sich ein durchgängiger Saal mit einem zur Tordurchfahrt hin orientierten Korridor. Das 2. OG entspricht in den tragenden Mauern dieser Gliederung, wobei sich hier ein größerer Raum über der gesamten Tordurchfahrt befindet. Heute ist dieses Geschoß durch moderne Zwischenwände in kleinere Raumeinheiten für Wohnungen untergliedert. Von beiden OG’en aus ist der Risalit aus zugänglich. Ein profiliertes, ehemaliges Kreuzstockfenster an der S-Seite des 1. OG und ein Kleeblattbogenfenster an der O-Seite des 2. OG verweisen auf die ehemals hochwertige Fassadenausstattung. Östlich des Risalits führt verbindet ein auf Mauerpfeilern ruhender Außengang vom N- zum O-Trakt und überspannt damit auch die nördl. Durchfahrt.

Der O-Trakt weist eine 1-hüftige und z.T. mit Kreuzgratgewölben versehene Raumflucht auf, die heute vom NO-Turm der Stadtmauer ihren Ausgang nimmt und bis zum S-Trakt führt. Am südl. Ende sind S- und O-Trakt durch einen Durchgang auf EG-Höhe getrennt, dieser vermittelt heute in den ehem. Zwinger. Die Raumgliederung im 1. OG folgt weitgehend jener des EG, wobei zwei Räume Tonnengewölbe mit Stichkappen aufweisen.

An der SO-Ecke des Hofes führt eine Treppe in einen weiteren Keller, der sich im O-Teil des S-Trakts befindet, ehemals aber auch unter den O-Trakt führte, wie entsprechende Gewölbeansätze in einem Lichthof zeigen. Im EG befinden sich 3 unterschiedlich große Räume, wobei in den westl. Raum die Treppenanlage zur Torkapelle vom südl. Vorhof aus einschneidet. Dieses weist an der südl. Hoffassade als Eingangsportal ein einfach gefastes Spitzbogengewände mit Mittelschluss auf.

Das 1. OG ist durch eine Freitreppe in der südöstl. Ecke des großen Innenhofes erreichbar. Von einem Flur aus sind sowohl die modernen Wohneinheiten über dem Wirtschaftsbereich im Vorhof als auch die Wohneinheit im S-Trakt erschlossen. Die Treppenanlage zur Kapelle mündet hingegen in zwei kleine Vorräume an der N-Seite, von wo in einem gegen den Uhrzeigersinn gerichtete Raumführung zunächst der Hauptraum der Kapelle und von diesem wiederum ein kleiner, Oratorium-artiger Nebenraum über dem östlichen Vorraum betreten werden kann. Während sich im EG an der hofseitigen N-Fassade nur zwei kleine Schartenfenster mit umlaufender Fase am Steingewände zur Belichtung der dahinter befindlichen Räume erhalten haben, weist die Kapelle vier hohe, lanzettförmige Spitzbogenfenster auf, deren Höhenversatz von jeweils zwei Paaren auch von außen das Ansteigen der Raumfolgen im Inneren nachzuvollziehen erlaubt. Darüber thront ein oktogonaler Dachreiter mit vier Ecktürmchen, das heute von einem Zeltdach abgeschlossen wird. Die Glockenstube ist ebenfalls durch Lanzettfenster belichtet, wobei deren Gewände fassadenseitig im Gegensatz zum Hauptraum nicht gefast, sondern gestuft gestaltet sind. Drunter befinden sich an den vier Hauptseiten paarige Mauerblenden mit Stufengiebel. S-seitig besaß die Kapelle ehem. 2 einbahnige Maßwerkfenster mit Dreipassabschluss, wobei das östl. Fenster nach partieller Verbauung durch die Fassadenmauer des Wirtschaftsgebäudes zu einem einfachen Spitzbogenfenster reduziert wurde. Auch die O-Seite besaß ursprünglich 3 derartige Maßwerkfenster, die erst durch die Aufstockung des anschließenden S-Trakts außer Funktion gesetzt wurden. Im Inneren setzt sich die eigentliche Kapelle sich aus einem 1-jochigen kreuzrippengewölbten Raum und dem gerade geschlossenen Chor mit Rippengewölbe zusammen.

Thomas Kühtreiber, "Göttweiger Hof" (Baubeschreibung) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/15-gottweiger-hof

Bauhistorische Interpretation

Aufgrund der rezenten Nutzung des Göttweigerhofs und der Umbauten von 1981, die ohne bauhistorische Begleitung vonstattenging, sind nur eingeschränkte Aussagen zur baulichen Entwicklung möglich. Im Gegensatz zu den frühen schriftlichen Belegen reichen jene Bauteile, die chronologisch beurteilt werden können, nur in die Jahrzehnte um 1300 zurück. Dazu zählt der N-Trakt mit allen heute noch erhaltenen Geschoßen, was durch freiliegendes Kompartimentmauerwerk im Keller sowie ein spitz zulaufendes Kleeblattfenster im 2. Obergeschoß des Risalits untermauert wird. Demgemäß gehört auch der risalitartige Vorbau zum Primärbestand und integriert den kellerhalsartigen Treppenzugang in das Untergeschoß. Zwei massive Bandrippen im Keller indizieren eine ehemalige Raumteilung im Obergeschoß mit einem mittigen Saal und zwei kleineren Nebenräumen, wie sie regional ab dem späten 12. Jh. häufiger an hochrangige Saalbauten beobachtet werden kann (u.a. Rauhenstein, Kirchschlag).

Ebenso in die Zeit um 1300 ist der S-Trakt mit der Torkapelle zu datieren. Als chronologisch relevant ist hier das Kompartiment-Bruchsteinmauerwerk im Keller im O-Teil des Trakts, die durchgängig gefasten Schartenfenster im EG der Hoffassade, die Lanzettfenster und die schmalen Maßwerkfenster mit Dreipassabschluss und das spitzbogige Eingangsportal mit Mittelschluss in der Torkapelle zu nennen. Insbesondere können aber die hochqualitativen Wandmalereien im Inneren der Kapelle, die sich über drei Räume ziehen und einer Ausstattungsphase zuzurechnen sind, aufgrund von stilistischen Vergleichen mit Werken der Buchmalerei aus dem Stift St. Florian in den Zeitraum um 1305/1310 eingegrenzt werden. Diese zeichnen sind durch ein reiches Wechselspiel aus religiösen Motiven und malerischer Imitation von Steinarchitektur sowie Textilbehang aus, während Bildelemente in den szenischen Darstellungen wiederum aus Halbreliefs in Terrakotta gestaltet wurden. Der zweite Vorraum enthält einen Zyklus mit Szenen aus dem Leben und Martyrium des Hl. Matthias. Die Hauptkapelle und Teile des anschließenden Nebenraums bildet im Hauptregister ein Marienzyklus, der in besagtem Nebenraum mit Darstellungen von Christus als Schmerzensmann bzw. Pantokrator sowie durch je fünf Mehrpassmedaillons mit den klugen und törichten Jungfrauen in zwei Fensternischen ausgestattet ist. Die Leerstelle des ehemaligen Altars an der Ostseite des rechteckigen Hauptraums wird von zwei gemalten Engeln flankiert, die in Terrakottareliefs gestaltete Kerzenhalter tragen. Ergänzt wird das komplexe Bildprogramm des Weiteren durch die Darstellung der Mitgiftspende des Hl. Nikolaus im Vorraum, die Hll. Johannes Ev. und Johannes d. Täufer, sowie Bischofs- und Abtdarstellungen, darunter den Gründer von Stift Göttweig, Altmann von Passau, mit Kirchenmodell. Der oratoriumartige Nebenraum der Kapelle ist mit dem Hauptraum nebst einem Spitzbogenportal ohne Vorrichtung für ein Türblatt durch ein querrechteckiges Schlitzfenster verbunden, dessen funktionale Deutung bis heute unklar ist. Vorbilder sind in den Öffnungen von den „Frauenschulen“ zu den Haupträumen mittelalterlicher Synagogen zu finden, während Vergleichsbeispiele aus christlichen Sakralbauten jünger anzusetzen sind.

Eine heute im Putz sichtbar belassene Baufuge in der Tordurchfahrt des S-Trakts lässt darauf schließen, dass der hofseitige Bereich der Kapelle mit den Vorräumen und dem „Oratorium“ einer späteren Bauphase angehört, d.h. dass der Hauptraum der Kapelle einer älteren, zeitlich nicht enger eingrenzbaren Bauphase zuzurechnen sein dürfte.

Die nächstjüngeren Aus- und Umbauphasen sind zeitlich in das 15. bis frühen 16. Jh. zu stellen. Nebst Adaptierungen im N- und S-Trakt, worauf gestäbte Kreuzstockfenster der Spätgotik verweisen, ist vor allem die Errichtung des O-Trakts unter Einbeziehung der angrenzenden Stadtmauer in diesen Zeitraum zu stellen. Darauf verweist auch ein städtischer Schiedsspruch von 1443, demgemäß ein von Abt Peter abgerissener Stadtmauerturm wieder aufzubauen sei. Dieser ist zwingerseitig leicht zu identifizieren; ein leichter Rücksprung im Eckverband im 2. OG indiziert mutmaßlich den Wiederaufbau. Zwei Inventare von 1530 und 1587 geben Einblick in die räumliche Organisation des Göttweigerhofs: Demzufolge befand sich im Obergeschoß des N-Trakts die Hofmeisterwohnung mit dem Altan, der mit dem Risalit identifiziert werden kann. Die Wohnung für zeitweiligen Aufenthalt des Abts (Herrn Stuben und Kamer) mit einer anschließenden Gastkammer war im anschließenden O-Trakt situiert. Im S-Trakt wohnten bzw. arbeiteten der Schreiber und der Kellermeister. Ein Badstübl war ebenfalls hier oder im Vorhof untergebracht.

Die Einwölbung von Erdgeschoßräumen im O-Trakt dürfte aufgrund der aufgeputzten Grate im 16. bis frühen 17. Jh. erfolgt sein, dies gilt auch für die Lagerräumlichkeiten im Vorhofbereich. Im Gegensatz zu vielen anderen Klosterhöfen der Region sind keine bedeutenden Aus- und Umbauten aus dem Barock überliefert, einzig die große Kellerröhre unter dem nördl. Vorhof mit einem korbbogenförmigen Kellergewölbe aus Ziegelmauerwerk ist in diese Zeit, gemäß der schriftlichen Überlieferung wohl in die 1690er Jahre zu stellen.

Wann der W-Trakt errichtet wurde, entzieht sich unserer Kenntnis, er bestand jedenfalls noch, da im Franziszeischen Kataster dargestellt, um 1820, ist aber auf den frühen (foto-)grafischen Ansichten in der Topothek von Krems an der Donau ab 1875 nicht mehr zu sehen.

Aus nutzungsgeschichtlicher Sicht fällt auf, dass der Göttweigerhof zu Stein zu den seltenen Beispielen der Region gehört, der über einen mittelalterlichen Weinkeller mit beachtlichen Ausmaßen verfügt. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass durch die Nähe zum Mutterkloster die Vinifikation hier durchgeführt und nicht der frisch gepresste Most abtransportiert wurde. Die Errichtung der zweiten großen Kellerröhre im späten 17. Jahrhundert und damit verbundene Erweiterung der Lagerkapazitäten fügt sich hingegen gut in das Bild vergleichbarer Anlagen in der Wachau. Dass auch dieser Hof für weitere wirtschaftliche Aufgaben errichtet wurde, zeigen die großen Lagerräumlichkeiten im südl. Vorhof. Mit der über Weinkeller und Presshaus befindlichen Hofmeisterwohnung inklusive einer 1587 als Raitkammer bezeichnete Kanzlei ist die Verwaltungseinheit und die visuelle Kontrolle über den Hof durch den Altan im N-Trakt zu verorten. Da der O-Trakt, in dem die ab dem 16. Jh. fassbare Abtwohnung untergebracht ist, erst im 15. Jh. errichtet worden sein dürfte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese ursprünglich auch im N-Trakt situiert war. Die kleineren Räume im S-Trakt waren spätestens seit dem 16. Jh. dem Hofpersonal zugeordnet. Die Trennung zwischen Vor- und Haupthof gehört ebenfalls zu den Spezifika des Göttweigerhofes, die durch die Torkapelle auch eine sakrale Komponente erfährt. Damit konnten wohl manche ökonomischen Aufgaben außerhalb der Kernanlage abgewickelt werden. Zusammenfassend gehört der Steiner Göttweigerhof zur Gruppe der großflächigen Lesehöfe, die schon ab dem Spätmittelalter eine räumlich und baulich differenzierte Nutzung nachzuvollziehen erlauben.

Thomas Kühtreiber, "Göttweiger Hof" (Bauhistorische Interpretation) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/15-gottweiger-hof

Quellen und Literatur

Quellen

Der Bestand des StiA Göttweig ist online einsehbar und in 3 Rubriken unterteilt: (1) Urkundenarchiv, (2) das Kleine und (3) das Große Archiv. Letzteres ist nach den unterschiedlichen Ämtern sortiert, die wiederum einzelne Verzeichnungseinheiten zu den unterschiedlichen Höfen als Verwaltungsstützpunkte enthalten. Während der Archivbestand für die Höfe in Furth und Spitz relativ groß ist und eigene Verzeichnungseinheiten für die beiden Höfe aufweist, existiert so etwas für den Besitz in Stein nicht. Für eine genauere Aufarbeitung des Hofes aus historischer Perspektive wäre daher auch eine eingehendere Archivrecherche nötig, die in diesem Umfang aus zeitlichen Gründen noch nicht erfolgen konnte.

Historische Literatur

Bezirksgericht Krems, GB Stein IIa, 202v.

StaA Krems, 1443 Feb 11.

StiA Göttweig, 1083 Sep 9.

StiA Göttweig, 1286 Juni 25.

StiA Göttweig, 1313 März 25.

StiA Göttweig, 1319 April 4.

StiA Göttweig, Inventari und Handlung des Hoffs zu Stain anno 1530.

StiA Göttweig, Inventarium den Göttweyger Hoff zu Stain betreff 1587.

StiA Göttweig, Hofmeisterrechnung 1521.

 

Miriam Landkammer, Gábor Tarcsay, Michaela Zorko, Bilder, die Räume erschließen. Historische und digitale Erkundung der Wandmalereien in der Göttweigerhof-Kapelle (Krems/Stein). In: MEMO 2 (2018): Digital Humanities & Materielle Kultur, S. 122–150.

Albert Starzer, Krems, in: Verein für Landeskunde von Niederösterreich, Hg., Topographie von Niederösterreich, Bd. 5, Wien 1903, S. 429-484.