Klosterhöfe

Einfahrtstor
© Alarich Langendorf, 2022

Passauer Hof 1, Herrenchiemseer Hof 2

Funktion als Klosterhof gesichert

Einfahrtstor
© Alarich Langendorf, 2022

Erhaltungszustand

Bestand erhalten

Kloster oder Institution

Zugehörigkeit:
Jeder Hof kann eine oder mehrere (zeitlich aufeinanderfolgende) Zugehörigkeiten zu einer klösterlichen Institution aufweisen.

Datierung

Historisch
1429 gesichert – 1806 gesichert
Bauhistorisch
? – ?
Die Laufzeit der klösterlichen Nutzung anhand historischer oder bauhistorischer Daten.

Zugänglichkeit

Kein Zugang

Das Objekt ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich

Verortung

Lagebeschreibung

Der ehem. im Besitz des Bistums Passau und in weiterer Folge des Klosters Chiemsee befindliche Straubenhof erstreckt sich im Zentrum der Kremser Altstadt an der Ecke zw. Juden- und Dachsberggasse und fügt sich damit zw. den ehem. Salzburger Hof (Täglicher Markt 8) und den Baumgartenberger Hof (beide sind heute zur Gänze abgekommen) in eine Achse von 3 dicht aneinander liegenden Klosterhofanlagen.


Alarich Langendorf / Andreas Steininger, "Passauer Hof 1, Herrenchiemseer Hof 2" (Lagebeschreibung) Wachauer Klosterhöfe Online 2022,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/17-passauer-hof-1-herrenchiemseer-hof-2

Historische Daten

Besitzgeschichte

Ab der M. d. 15. Jhs. befand sich der sog. Langhof im Besitz des Stiftes Herrenchiemsee. Bereits 1368 wurde der spätere Hof des Stiftes Herrenchiemsee als Langhof im Besitz von Jan dem Rotter urk. erwähnt ([...] in dem Langen hofe und leit zenegst Nachim dez Juden haws. DASP 1368 Feb 11). Im Urbar der Pfarre Krems, das um 1381/86 angelegt wurde, ist er als in jüdischem Besitz befindlich bez. (Ebner 1965, Nr. 294). Nach der Vertreibung der Juden 1421 übergab Herzog Albrecht V. den Hof an den Bischof v. Passau. Der Hof wird 1429 (HHStA, AUR 1429 Jan 24) und 1437 als Passauer Hof genannt (StaA Krems 1437 Aug 4).

1443 schenkte Bischof Leonhard v. Passau dem Kloster Herrenchiemsee den Hof, der sich in Krems zw. den Höfen des Klosters Baumgartenberg und des Stiftes St. Peter in Salzburg befand ([…] an der obristen Seiten neben Paumgarten Hof, und an der andern an des Abbts Hof von sand Peter ze Salzburg gelegen […]; BAW (Hg.) 1764, S. 416, Nr. 39; Starzer 1903, S. 480). Um 1520 musste sich der Hof in sehr desolatem Zustand befunden haben, denn der Rat der Stadt Krems forderte den Propst auf, diesen wieder instand zu setzen (vgl. StaA Krems 1520 März 12; StaA Krems, IGB 3, S. 299). Ab 1569 verwaltete der Kremser Bürger Georg Straub (gest. 1595, Untere Landstraße 52) die Güter des Stiftes (vgl. Schuster 1963, S. 238). Noch 1609 wurde der Hof als der Frau Straubin Hof bez. (StaA Krems, TP 9, 584v).

Nach der Sequestrierung der bayrischen Klöster im Jahr 1805 wurde der Hof 1806 vom k.k. nö. Cameralfond durch Verordnung öffentlich versteigert und um 4.190 Gulden von Joseph Krippl erworben (HHStA, GB Burghof 1640, 18r; NÖLA Gültb. 63, 83v; Starzer 1903, S. 480).

Helga Schönfellner-Lechner, "Passauer Hof 1, Herrenchiemseer Hof 2" (Besitzgeschichte) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/17-passauer-hof-1-herrenchiemseer-hof-2

Gebäude und Bauhistorie

Baubeschreibung

Trotz der in diesem Bereich der Innenstadt umfassenden Abriss- und Umbautätigkeit in der 2. H. d. 20. Jhs. hat sich die Kubatur des Hofgefüges in großen Teilen erhalten: Der Bestand gliedert sich heute in einen entlang der Dachsberggasse verlaufenden, 12 Fensterachsen langen sowie 2 Achsen breiten W-Trakt und einen direkt daran anschließenden, dem Verlauf der Judengasse folgenden N-Trakt, dessen Baugefüge sich nach O bis zur heutigen Raiffeisengasse zieht. Die durchgehend 2-geschoßige Anlage umschließt damit hakenförmig einen ca. 30 x 30 m großen, unregelmäßigen Hofbereich, der nach S von den Objekten Herzogstraße 4, 6 und 7 begrenzt wird. Dies entspricht weitgehend dem am Franziszeischen Kataster von 1823 erkennbaren Bestand (vgl. NÖLA, FK Mappen OM 324, fol. 5), wobei in der SW-Ecke der Anlage ein weiterer, wohl ebenfalls 2-geschoßiger, W-O orientierter Trakt in das Hofgefüge geragt haben dürfte. Vor dem vollständigen Abriss des Salzburger Hofes und der Schaffung der Raiffeisengasse im Jahr 1973 ging das nach O offene Gefüge des Straubenhofes direkt in jenes des Salzburger Hofes über und vermittelte damit den Eindruck eines bemerkenswert geschlossenen Hofensembles zw. Dachsberggasse und Täglichem Markt, das von der südl. abschließenden Grenzmauer des Salzburger Hofes und einer verm. fehlenden klaren Trennung der beiden Hofbereiche noch verstärkt wurde. Die direkte bauliche Verbindung der beiden Höfe zeigt sich heute an der O-S. des Straubenhof-N-Traktes, wo Abbruchspuren der sich östl. fortsetzenden Flucht in Form von Gewölbeabdrücken im Obergeschoß noch deutlich zu sehen sind.

Die N-S. des Hofes lässt zur Judengasse hin eine über beide Trakte laufende, repräsentative Fassadengliederung mit Rustikaquaderung über einer einfach gebänderten Sockelzone im Erdgeschoß sowie glattverputzter Nullfläche im Obergeschoß erkennen. Darüber wurde die Ebene des Schüttbodens durch ein trennendes Kordongesims und durchgehende Putzquaderfelder akzentuiert, die wiederum von einem doppelt profilierten Gesims zur Traufe hin abgeschlossen sind. Während die Fenster des Erdgeschoßes lediglich einfache Faschen zeigen, weisen die Obergeschoßfenster abgetreppte Rahmungen, profilierte gerade Verdachungen sowie leicht gekehlte Sohlbänke auf Scheinkonsolen auf. Das in der 3. Achse von W sich befindliche Rundbogenportal ist durch eine breite Fase, Keilsteinabschluss und seitlichen Kämpfern charakterisiert. Über den einfachen Rahmungen in den Eckfeldern ist der gerahmte Schriftzug „Straubenhof“ aufgeputzt zu lesen. Der Torbereich wird durch ein Doppelfenster und flankierende Lisenen mit Putzfeldern weiter hervorgehoben. Im Kontrast zu dieser Gestaltung steht die heute schlichte W-Fassade der Anlage, die lediglich über eine glatte Fassade mit rezenter Steinsockelzone und einfach gekehlter Gesimszone verfügt.

Der N-Trakt gliedert sich in einen im W liegenden, 4-achsigen Zwischenbau und einen sich östl. daran anschließenden, nach S auskragenden 4-achsigen Baukörper. Beide waren im Zuge der Begehungen nur in Teilen zugänglich. Das Erdgeschoß des W-Teiles bildet die Einfahrt, deren weit gespanntes Tonnengewölbe Stichkappenformen des 16. bzw. 17. Jhs. aufweist, wobei sekundär ausgeschlagene Kappen im südlichsten Joch gemeinsam mit breiten Gurtbögen auf Umgestaltungen im 19. Jh. hindeuten. Von der Einfahrt gelangt man in einen entlang der S-S. des Traktes, beide Bauelemente verbindenden Flur, über den wiederum der Keller und die Treppe in das Obergeschoß zu erreichen sind. Sowohl Erd- als auch Obergeschoß weisen eine kleinteilige Binnenverbauung mit nur tlw. erhaltenen Tür- und Fensterelementen auf, die der 1. H. d. 19. Jhs. zuzuweisen sind. In den Gangbereichen haben sich weiters historische Böden in Form von Solnhofener Platten- und Holzdielenböden erhalten.

Der westl. Teil des östl. N-Traktgebäudes ist mit einem Raum unterkellert, der eine dem 19. Jh. zuweisbare Ziegeltonne über Bruchsteinmauerfragmenten an der N-Mauer aufweist. Letztere scheint in den sichtbaren Abschnitten nahezu strukturlos mit Ansätzen zur Netztechnik versetzt worden zu sein und lässt eine Entstehung nur mit Vorbehalten frühestens ab der 2. H. d. 15. Jhs. vermuten.

Der ebenfalls nur in Teilen des Erd- sowie Dachgeschoßes begangene W-Trakt fügt sich aus 2 weiteren Bauelementen im N und S zusammen, deren leicht abweichende Baufluchten auch über einen deutlichen Knick im westl. Fassadenverlauf und anhand unterschiedlicher Geschoßniveaus zu erkennen sind. Die begangenen Erdgeschoßräumlichkeiten weisen durchgehend Tonnengewölbe mit wohl renaissancezeitlichen Stichkappen auf, das gesamte Raumgefüge wurde allerdings erst kürzlich für Wohnzwecke umgebaut, womit sich hier keine eingehenderen Aussagen treffen lassen.

Für den im N-Teil des W-Traktes zugänglichen Kellerraum konnte neben Ziegelgewölben verm. des 17. Jhs. auch in Teilen freiliegendes, mehrphasiges Bruchsteinmauerwerk festgestellt werden, dessen älteste Elemente nur allgemein dem ausgehenden Spätmittelalter zuzuordnen sind. Dazu passt ein an der S-Mauer des Raumes befindliches, rezent vermauertes spitzbogiges Sandsteingewände. Als stratigrafisch jüngstes Element zeigt sich im Keller des W-Traktes eine unter die Einfahrt getriebene, schmale und niedrige, nach O ziehende Kellerröhre, die an ihrem O-Ende in einen etwa 1,8 x 4 m messenden Raum mündet.

Im Dachgeschoß des W-Traktes sind entlang der O-Mauer die vermauerten, ehem. oberen Abschlüsse der Fensterlaibungen des Obergeschoßes zu erkennen, was gemeinsam mit den noch erhaltenen Balkenauflagen belegt, dass die Geschoßebenen urspr. höher (verm. auf einer Ebene mit dem nördl. Traktteil) lagen und zu einem unbekannten Zeitpunkt abgetieft wurden, wodurch vor allem im Dachgeschoß mehr Raum geschaffen wurde. Zu dieser Maßnahme würde die an der hofseitigen Mauer geschaffene, das ältere Gesims schneidende Ladeöffnung passen. Das im Dachgeschoß des W-Traktes erkennbare Mauerwerk zeigt in Netztechnik versetztes Mischmauerwerk, das sich ohne weitere Untersuchungen nur allgemein als neuzeitlich ansprechen lässt.

Im Außenbereich der NW-Ecke des Hofes weist der W-Trakt am Übergang zum N-Trakt einen auffälligen, weil sich umständlich in die Baukubatur drängenden Holzgang mit anschließender Treppe auf, der, in die O-Fassade hineinversetzt, von einem hohen Bogen überspannt wird. Ohne dieses Baugefüge innen besichtigt zu haben, scheint hier ein im nördl. W-Trakt befindliches Zwischengeschoß mit dem höherliegenden Obergeschoß des N-Traktes sowie einem an die O-Mauer des W-Traktes angebauten Abortturm erschlossen worden zu sein. Diese für neuzeitliche Bauten eher eigentümliche Lösung könnte aus Resten eines älteren Erschließungssystems hervorgegangen sein.

Neben dem hier situierten Exemplar hat sich im hofseitigen Versprung zw. den beiden Gebäudeteilen des N-Traktes ein weiterer Abortturm erhalten. Beide Aborte wurden für die moderne Wohnnutzung zur Gänze umgestaltet.


Andreas Steininger / Alarich Langendorf, "Passauer Hof 1, Herrenchiemseer Hof 2" (Baubeschreibung) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/17-passauer-hof-1-herrenchiemseer-hof-2

Bauhistorische Interpretation

Die für den Straubenhof älteste feststellbare Bausubstanz bilden stark überbaute Mauerfragmente in den Kellerräumen, welche bislang nur allgemein als spätmittelalterlich angesprochen werden können. Den archivalisch im 14. Jh. greifbaren (Vorgänger-)Phasen des Gebäudes lassen sich ohne eingehendere Untersuchungen keine Strukturen eindeutig zuordnen. Stattdessen zeichnet sich allgemein das Bild einer spätestens ab dem 16. Jh. im Baugefüge erkennbaren Hofanlage ab, die sich aus bis zu 5 Baukörpern unterschiedlicher Flucht und Ausprägung entwickelt haben dürfte. Über die Fassade und einzelne Gewölbemerkmale lassen sich Ausbauphasen vor allem im 16., 17. und 19. Jh. (letztere wohl nach der klösterlichen Nutzung) wahrscheinlich machen. Ein in der Einfahrt wohl sekundär vermauerter Wappenstein mit der Inschrift

 

RUPERTUS.D.C.PRA POSI

TUS ET ARCHIDIACONUS

NATUS CATHEDRALISE.

CLESAE CHIEMENSIS E

BELLI RUINIS EREXIT.A:

1654.

 

nennt das Jahr 1654, in dem der Herrenchiemseer Probst und Archidiakon Rupert Koge (dessen Wappen auch dargestellt ist) das Gebäude BELLI RUINIS, also auf Kriegsruinen neu errichtet haben soll (Englisch/Frühwirth/Geppert (Hg.) 1998, S. 35).

Bereits die Größe des Hofes und das Vorhandensein von verhältnismäßig kleinen, wenngleich sukzessive vergrößerten Kelleranlagen sowie gewisse Lagermöglichkeiten in den (verhältnismäßig kleinen) Erdgeschoßräumen attestieren der Anlage durchaus eine Tauglichkeit zur wirtschaftlichen Nutzung; als eindeutige Hinweise auf eine hier stattfindende Vinifikation können sie allerdings nicht interpretiert werden. Das für die Geschichte der Kremser Lesehöfe interessanteste Merkmal bildet bis zum Vorliegen intensiverer Bauuntersuchungen das geschlossene Hofgefüge mit dem benachbarten Salzburger Hof und die damit bestehende Möglichkeit eines engen wirtschaftlichen Austauschs. Den Abbrüchen des 20. Jhs. ist es geschuldet, dass eine solche nur noch über archivalische oder bodenarchäologische Quellen überprüft werden kann.

Andreas Steininger / Alarich Langendorf, "Passauer Hof 1, Herrenchiemseer Hof 2" (Bauhistorische Interpretation) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/17-passauer-hof-1-herrenchiemseer-hof-2

Quellen und Literatur

Historische Literatur

Bayerische Akademie der Wissenschaften, Hg., Monumenta Boica, Bd. 2, München 1764.

DASP, 1368 Feb 11.

Herwig Ebner, Ein Urbar der Pfarre Krems aus dem 14. Jahrhundert. In: Mitteilungen des Kremser Stadtarchivs 5, Krems 1965, Nr. 294.

HHStA, Schlossarchiv Grafenegg, Bücher Nr. 79, GB Burghof 1640.

NÖLA, Gültbuch 63, Gültbuch über die reluierten frei- und dienstbaren Höfe von Anno militari 1756 anfangend.

StaA Krems 1520 März 12.

StaA Krems, Ingedenkbuch der landesfürstlichen Städte Krems und Stein, Bd. 3.

StaA Krems, Testaments-Protokoll 9.

Erika Schuster, Die geistlichen Grundherren im mittelalterlichen Krems, Diss., Wien 1963.

Albert Starzer, Krems, in: Verein für Landeskunde von Niederösterreich, Hg., Topographie von Niederösterreich, Bd. 5, Wien 1903, S. 429-484.

Bauhistorische/archäologische Literatur

NÖLA, FK Mappen OM 324.


Ernst Englisch / Hans Frühwirth / Ulf Geppert, Hg., Der Kremser Wein und die klösterlichen Lesehöfe, 2. Auflage, Krems 1998.