Klosterhöfe

Reichersberger Hof, Hohenfurther Hof 1

Funktion als Klosterhof gesichert

Erhaltungszustand

Bestand erhalten

Kloster oder Institution

Zugehörigkeit:
Jeder Hof kann eine oder mehrere (zeitlich aufeinanderfolgende) Zugehörigkeiten zu einer klösterlichen Institution aufweisen.

Datierung

Historisch
1220 gesichert – 1808 gesichert
Bauhistorisch
? – ?
Die Laufzeit der klösterlichen Nutzung anhand historischer oder bauhistorischer Daten.

Zugänglichkeit

Kein Zugang

Das Objekt ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich

Verortung

Lagebeschreibung

Der Hof liegt am westl. Ende der Wachaustraße im heute von modernen Gewerbebauten geprägten ehem. Vorstadtgebiet am linken Kremsufer, etwa 125 m östl. der in den 1950er-Jahren erbauten Wachaubrücke. Noch bis ins 20. Jh. hinein war der urspr. nach S, also zur Hohensteinstraße ausgerichtete Hof (entsprechend der Darstellung auf dem Franziszeischen Kataster von 1821/23) von weitläufigen, sich zw. Krems und Weinzierl erstreckenden Weingärten umgeben. Die Zufahrt muss dabei von SO über die Hohensteinstraße erfolgt sein, wobei ein kreisförmig um den Hof verlaufender Weg alle S. der Anlage und die angrenzenden Weingärten miteinander verband.

Alarich Langendorf / Andreas Steininger, "Reichersberger Hof, Hohenfurther Hof 1" (Lagebeschreibung) Wachauer Klosterhöfe Online 2022,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/24-reichersberger-hof-hohenfurther-hof-1

Historische Daten

Besitzgeschichte

Erstmalig erwähnt wurde der Hof 1220 in einem Revers, den der Propst des Stiftes Reichersberg sowie der Cellerar und der Kämmerer von Pernoldus de palude und Albertus hopher (OÖMV (Hg.) 1852, S. 398, Nr. 225) erhalten hatten. Die Absender bestätigen damit, dass sie keine Rechte an dem Haus des Klosters haben (vgl. OÖMV (Hg.) 1852, S. 398, Nr. 225). 1322 und 1343 diente das Kloster Reichersberg von seinem Hof in Weinzierl 30 d zum Kloster Göttweig (StiA Göttweig, GA A XVIII-3, p. 146; StiA Göttweig Dienstbuch 1343, fol. 286v). Der Hof dürfte über eine Kapelle verfügt haben, denn 1365 verpflichtete sich der Dominikanerprior gegen eine Schenkung von 9 Pfund Pfennig zur Lesung einer wöchentlichen Messe in der Hofkapelle; 1411 wird die Martinskapelle des Hofes genannt (StiA Hohenfurt/Vyšší Brod 1365 Aug 15; 1411 Okt 19). Das Kloster Reichersberg verkaufte im Jahr 1706 unter Propst Hieronymus den Freihof bei Krems, inklusive 17 Viertel-Weingärten. Unter den Gründen für den Verkauf wird angeführt: schlechter Ertrag und der Umstand, dass der dortige Wein der Gesundheit schädlich sei, daß vill religiosen an hendt und Füssen erkrumpen (StiA Reichersberg, 1706 Juni 9). Verkauft wurde der Hof dem Jesutienkolleg in Krems, das den Hof als Erholungsort für die Seminaristen nutzte, wobei dieser nach der Auflösung des Jesuitenordens im Jahr 1791 an das südböhmische Zisterzienserstift Hohenfurth verkauft wurde (vgl. NÖLA, Gültb. 62, 32r/Nr 4 OM). Der Hof verblieb bis zum Kauf des Hofes durch den Weinhauer Johann Hick (Hoher Markt 11) und dessen Frau Anna Maria im Jahr 1808, im Besitz des Zisterzienserstiftes (vgl. NÖLA, KG Krems 116/6, p. 403; NÖLA, KG Krems 116/17, p. 534, 750).

Helga Schönfellner-Lechner, "Reichersberger Hof, Hohenfurther Hof 1" (Besitzgeschichte) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/24-reichersberger-hof-hohenfurther-hof-1

Gebäude und Bauhistorie

Baubeschreibung

Der über L-förmigen Grundriss errichtete 2-geschoßige Hof weist entlang der heutigen Wachaustraße einen tief gelagerten N-Trakt sowie südwestl. daran anschließend einen 8-achsigen N-S orientierten W-Trakt auf. Dabei wurde die N- und W-S. des Gebäudes gegen das nach N ansteigende Gelände eingetieft, womit dessen Erdgeschoß als Tiefgeschoß ausgebildet ist und der heutige nördl. Gebäudezugang auf dem Niveau des 1. Obergeschoßes erfolgt. Zw. den beiden Trakten wurde im Zuge des rezenten Umbaus zur Tagesstätte die Innenhoffläche nahezu vollständig mit einem sich deutlich von der älteren Substanz abhebenden 2-geschoßigen Baukörper geschlossen. An den älteren Bauteilen zeigt sich die moderne Fassadengestaltung durchgehend schlicht, wobei die glatt verputzte Obergeschoßzone im Kontrast zur unregelmäßig abgekellten Tiefgeschoßebene als Sockel steht. Letzte Hinweise auf die historische Fassadengliederung geben die mglw. übernommenen Fensterfaschen sowie das an den Alttrakten durchgehend noch durchlaufende, stark profilierte Kranzgesims. Im Dehio vermerkte (vgl. BDA (Hg.) 1990, S. 589) Werksteinfenstersohlbänke konnten zum Zeitpunkt der Begehung nicht mehr festgestellt werden. Beide Trakte weisen ein geschlossenes, strangfalzgedecktes Kehlwalmdach auf, wobei der First des N-Traktes höher aufragt. Das Dachwerk konnte nicht besichtigt werden.

Die Gliederung des Erdgeschoßes ist im W-Trakt durch eine einfache Raumflucht geprägt, im N-Trakt ist über eine W-O verlaufende Flur eine Flucht kleinerer Räume erschlossen, über die man wiederum in das parallel verlaufende, die gesamte Breite einnehmende Kellergeschoß gelangte.

Über den heute mittig an der N-S. des N-Traktes (also an der ehem. Rückseite des Hofes) gelegenen Zugang gelangt man in einen Mittelflur, der von einem Kreuzgratgewölbe des späten 16. Jhs. überspannt wird und über welchen die W- und O-S. des N-Traktes sowie der nördlichste Raum des W-Traktes erschlossen ist. Nach N wurde das Flur-Gewölbe im 1. V. d. 18. Jhs. aus unbekannten Gründen um ein Joch erweitert, wie eine Baunaht und der Wechsel zu hochbarocken Stichkappen nahelegen. Zu den östl. Obergeschoßräumen kann an dieser Stelle keine Aussage getroffen werden, da sie zum Zeitpunkt der Begehung nicht zugänglich waren.

Die ebenfalls nur partiell begehbare Obergeschoß-Raumflucht des W-Traktes weist einen 2-achsigen, balkengedeckten Raum mit N-S verlaufenden Unterzug auf. Südl. daran schließt ein sich über 3 Fensterachsen erstreckender Saal an, dessen Stuckdecke mit zentralem IHS und Bandeldekorelementen der 1. H. d. 18. Jhs. zuzuweisen ist und der zu einem unbekannten Zeitpunkt zu einem 4-achsigen Raum erweitert wurde.

Wie das Erd- bzw. Tiefgeschoß mit dem Obergeschoß urspr. erschlossen war, lässt sich nach dem rezenten Hofeinbau nicht mehr eindeutig ablesen, denkbar wäre zusätzlich zum mglw. auch damals bestehenden Zugang an der Gebäuderückseite eine zum Mittelflur hinaufreichende Hoftreppe oder ein älterer Stiegenaufgang im Bereich des mutmaßlich jüngeren W-Traktes.

Am Übergang zw. ehem. Hofbereich und N-Trakt ist im Tiefgeschoß stark überputzt noch der Rest eines abgefasten Steingewändes mit pyramidalen Anläufen zu erkennen, was vorsichtig als eine auf das späte 15. bis 1. H. d. 16. Jhs. zurückgehende Türöffnung interpretiert werden könnte.

Im gesamten Tiefgeschoß blieben die historischen Raumgefüge weitgehend erhalten, die jüngsten Umbauten betrafen v.a. den vollständigen Austausch der Fußböden, im Zuge dessen auch das Bodenniveau um etwa 0,4 m abgetieft und damit stellenweise die Mauerfundamentoberkanten freigelegt wurden. Auch kam es zum vollständigen Tausch von Fenstern und Türen sowie dem Einbau von Sanitär- und Technikanlagen und damit einhergehend der Teilung von ehem. größeren Raumflächen. Im N-Trakt weisen die östl. Räume eine einfache N-S verlaufende Tonne mit frühbarocker Stichkappe über einer kleinen Öffnung mit gelochtem Fenstergitter auf. Westl. erstreckt sich ein W-O orientierter, heute geteilter Raum, der mit einem Kreuzgratgewölbe überspannt ist, dessen aufgeputzte Grate sich dem 16. oder 17. Jh. zuweisen lassen. Der südl. daran anschließende Raum wird von einer S-O orientierten Stichkappentonne mit hochbarocken Formen des frühen 18. Jhs. überspannt. Einer weiteren Bauphase gegen Ende des 18. Jhs. dürfte das Platzlgewölbe im südlichsten Raum zuzuordnen sein.

Über den auf den Hof ausgerichteten, rezent umgestalteten Vorraum des N-Traktes gelangt man zur nördl. anschließenden, auf 2 unterschiedlichen Raumniveaus nur ca. 1,7 – 2,5 m tiefer liegenden Kelleranlage. Diese nimmt, überraschend großräumig dimensioniert, die gesamte nördl. Traktbreite ein und ragt in ihrer Höhe bis zum Deckenniveau des Tiefgeschoßes, umfasst also 2 Geschoßebenen. Der 1. Kellerraum wird von einer 3-jochigen, weiten Stichkappenziegeltonne des 17. Jhs. überwölbt, deren Segmente gegen 2 den Raum überspannende Gurtbögen unterteilt werden. Der Gewölbefuß ist dabei durchgehend bis zum Boden gezogen und überbaut einen im Bereich des Abgangs noch sichtbaren, älteren Gewölbeansatz.

Die z.T. freiliegenden Außenmauern lassen im O netzartig versetztes Mischmauerwerk über älterem Bruchsteinmauerwerk erkennen. Im W ist neben vereinzelten Ziegelausbesserungen kleinteilig ausgezwickeltes Bruchsteinmaterial zu sehen. Eine genauere zeitliche Einordnung dieses nur tlw. sichtbaren Befunds ist nicht gesichert möglich, doch scheint sich hier eine Abfolge von frühneuzeitlichen auf spätmittelalterliche Strukturen abzuzeichnen, die auch durch die 2 o.g. Gewölbephasen plausibel gemacht wird.

Nach N wurde der Keller durch eine geringfügig tiefergesetzte, schmale Röhre, die parallel zum Hauptkellerraum verläuft, erweitert. Der durch eine Ziegelsegmenttonne gedeckte Raum könnte im 18. oder 19. Jh. entstanden sein und der eher notdürftigen Schaffung von zusätzlichem Lagerraum gedient haben.

Im Außenbereich haben sich vor allem im S und W, wenn auch in teils stark überbautem Zustand, Reste der äußeren Hofeinfassung erhalten, die ehem. die zur Gartenanlage zugehörigen Grundstücke .448 und 3045/1 vollständig umgab. Diese Umfassung bestand in ihrer 1. Phase aus einem Sockel mit Pfeilern aus neuzeitlichem Mischmauerwerk für einen Holz- oder Metallzaun und wurde in einer 2. Phase, verm. im Verlauf des 19. Jhs., mit Ziegelmauerwerk zu einer geschlossenen Hofeinfassung mit nach innen kragenden Lisenen zw. den Pfeilern vermauert. An der Außenseite sind in Richtung Hohensteinstraße mehrphasige Putzreste sowie mittig Vermauerungen zweier Fenster zu sehen, die auf ein an die südl. Mauer angebautes Nebengebäude schließen lassen. Spätestens durch den Parkplatzbau der östl. angrenzenden Tankstelle wurden die letzten Reste eines kleinen Gebäudes zerstört, das auf dem Franziszeischen Kataster sowie in der Josephinischen Landesaufnahme in der SO-Ecke des Grundstücks noch als steinerner Bau eingezeichnet ist (vgl. NÖLA, FK Mappen OM 324, fol. 5). Ob es sich dabei um bauliche Reste der in den historischen Quellen genannten Martinskapelle handelt, kann ohne eingehendere Untersuchungen nicht überprüft werden. Weiters scheint auf dem Katasterplan von 1821/23 östl. an die Nordmauer des Hauptgebäudes anschließend eine gemauerte Struktur auf, die heute ebenfalls abgekommen ist und am ehesten als Zufahrtstor interpretiert werden kann, wobei dieses an der Rückseite des Hofes gelegen und sich damit lediglich auf die nördl. Weingärten bzw. den um die Anlage führenden Weg geöffnet hätte.

Alarich Langendorf / Andreas Steininger, "Reichersberger Hof, Hohenfurther Hof 1" (Baubeschreibung) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/24-reichersberger-hof-hohenfurther-hof-1

Bauhistorische Interpretation

Aufgrund der starken Überformungen, die der Hof gleichsam dem gesamten östl. Kremser Vorstadtbereich ab der 2. H. d. 20. Jhs. erfahren hat, lässt sich die Bauentwicklung der Anlage nur noch stark fragmentiert ablesen. Als älteste zeitlich einordenbare Bauelemente können die östl. und westl. Außenmauern des großen Kellerraumes sowie südl. davon im Tiefgeschoß ein mögliches Werksteinportal dem 15. Jh. grob zugeordnet werden, womit sich ein spätmittelalterlicher Kernbau, bestehend aus dem heutigen N-Trakt und den zugehörigen Kelleranlagen, als Primärbau ergäbe. Ältere Strukturen konnten im Zuge der bauhistorischen Begehungen nirgends festgestellt werden.

Für das 16. Jh. lassen sich anhand der im Tief- und Obergeschoß erhaltenen renaissancezeitlichen Gewölbe größere Ausbauten festmachen, welche die heutige Erscheinung des N-Traktes mit dem charakteristischen Mittelflur und den ehem. großen Tiefgeschoßräumen geprägt haben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss das Ensemble eine wirtschaftlich funktionale und zugleich repräsentative Anlage dargestellt haben, wie sie in den archivalischen Quellen als Lesehof des Klosters Reichersberg auch aufscheint. Adaptierungen im Zuge des 17. Jhs. (wie beispielsweise die Erneuerung des Kellergewölbes) lassen auf eine kontinuierliche intensive Nutzung über die folgenden Jahrhunderte schließen.

Im gesamten W-Trakt konnten keine Strukturen festgestellt werden, die vor die Zeit um 1700 zurückreichen, vielmehr weisen Stuckdecken- und Gewölbegestaltungen im Tief- und Obergeschoß auf eine größere Umbauphase im 1. V. d. 18. Jhs hin. Damit könnte der Trakt hypothetisch als an den Kernbau angestellte barocke Erweiterung des Kernbaus angesehen werden, die mglw. mit der Übernahme und dabei überlieferten Funktionsänderung vom Lesehof zum Wohn- und Erholungsort durch den Jesuitenorden nach 1706 einhergegangen sein könnte. Dieser Phase ließe sich auch die Anlage der Garteneinfassung zuordnen.

Ab dem (frühen) 19. Jh. erfolgte die Erweiterung des Kellers um eine kleinere Röhre nach N sowie mglw. die Verlängerung des südl. Teils des W-Traktes oder zumindest dessen Ausbau. Zudem wurde die Garteneinfassung zu einer geschlossenen Mauer umgestaltet, an die sich im S ein zumindest 2-achsiges kleineres Gebäude angelehnt haben dürfte. Diese Änderungen könnten mit dem nochmaligen Besitzerwechsel nach Auflösung des Jesuitenordens 1791 und damit der möglichen Wiederaufnahme von Vinifizierungsprozessen durch das Stift Hohenfurth oder die private Übernahme durch Weinhauer ab 1808 in Zusammenhang gebracht werden.

Im Zuge des 20. Jhs. wurde der Hof schließlich mehrfach umgebaut, zuletzt erfolgte der vollständige Umbau zur physiotherapeutischen Tagesstätte „Seminarihof“, an dem trotz massiver Eingriffe die Grundstrukturen des historischen Hofes noch erkennbar bleiben.

Alarich Langendorf / Andreas Steininger, "Reichersberger Hof, Hohenfurther Hof 1" (Bauhistorische Interpretation) Wachauer Klosterhöfe Online 2022,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/24-reichersberger-hof-hohenfurther-hof-1

Quellen und Literatur

Quellen

Die Quellenbestände der Stifte Reichersberg und Hohenfurth konnten bisher noch nicht eingesehen werden.

Historische Literatur

Johann v. Frast, Das 'Stiftungen-Buch' des Cistercienser-Klosters Zwetl, Wien 1851.

Oberösterreichischer Musealverein, Hg., Urkundenbuch des Landes ob der Enns, Bd. 1, Wien 1852.

NÖLA, Gültbuch 62, Gültbuch über die reluierten Freyhöfe, mit 1. November 1791 anfangend, 32r/Nr 4 OM.

NÖLA, KG Krems 116/6 GB Stadt Krems 1733.

NÖLA, KG Krems 116/17 GWB Stadt Krems 1791.

StiA Göttweig, GA A XVIII-3.

StiA Göttweig, Dienstbuch 1343.

StiA Hohenfurt/Vyšší Brod 1365 Aug 15; 1411 Okt 19.

StiA Reichersberg, 1706 Juni 9, online unter: monasterium.net, https://www.monasterium.net/mom/AT-StiAR/ReichersbergCanReg/1706_VI_09/charter.


Albert Starzer, Krems, in: Verein für Landeskunde von Niederösterreich, Hg., Topographie von Niederösterreich, Bd. 5, Wien 1903, S. 429-484.

Bauhistorische/archäologische Literatur

Bundesdenkmalamt, Hg., Dehio Niederösterreich. Nördlich der Donau, Wien 1990.