Klosterhöfe

Nikolaihof
© Thomas Kühtreiber, 2020

Nikolaihof

Funktion als Klosterhof gesichert

Nikolaihof
© Thomas Kühtreiber, 2020

Erhaltungszustand

Bestand erhalten

Kloster oder Institution

Zugehörigkeit:

Datierung

Historisch
1223 gesichert – 1803 gesichert
Bauhistorisch
1100 angenommen – 1700 angenommen
Die Laufzeit der klösterlichen Nutzung anhand historischer oder bauhistorischer Daten.

Zugänglichkeit

Eingeschränkt öffentlich zugänglich

Das objekt ist nur in gewissen Bereichen zugänglich

Der Nikolaihof ist als Weingut und in Rahmen von Führungen teilweise der Öffentlichkeit zugänglich.

Verortung

Lagebeschreibung

Der ehemalige Klosterhof des Stifts St. Nikola in Passau befindet sich in der NO-Ecke der Altstadt von Mautern an der Donau, ca. 150 m östl. der Pfarrkirche St. Stefan. Das Grundstück nimmt große Teile des Baublocks zwischen Kremser Straße, Augasse, Nikolaigasse, Rathausplatz und Kirchengasse ein, nur zur Kirchengasse und Rathausplatz fluchtet der Gebäudekomplex nicht mit den innerstädtischen Wegverbindungen, sondern ist durch eine Häuserzeile von diesen getrennt. Gemeinsam mit Pfarrkirche, Pfarrhof und Schloss Mautern als ehemaligem Amtssitz des Hochstifts Passau befand sich somit der gesamte innerstädtische Grund entlang der Donau im Besitz von geistlichen Institutionen aus Passau. Der heutige Hauptzugang über die Nikolaigasse täuscht des Weiteren darüber hinweg, dass durch die Lage an der Kremser Straße der Nikolaihof auch direkt an die Hauptverbindung der Stadt zum Donauübergang (ehemals Überfuhr, seit 1463 Brücke) anrainte.

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Historische Daten

Besitzgeschichte

Zwischen 1067 und 1073, nach der Haustradition 1067, stiftete Bischof Altmann von Passau das Augustiner-Chorherrenkloster St. Nikola bei Passau. Im später entstandenen „Stiftsbrief“ werden unter den Gründungsdotationen auch zwei Weingärten und eine Hube zu Mvtarn aufgezählt (Weltin/Zehetmayer (Hg.) 2008, Nr. 32, 399). Um die Besitzungen des Klosters in Mautern dürfte es aber im Kontext des Investiturstreits, der 1078 zur Vertreibung des Bischofs Altmann sowie der Chorherren von St. Nikola aus Passau führte, zu Unklarheiten bzw. zu Ansprüchen von verschiedenen Seiten gekommen sein, die vor allem mit der Gründung des nahe von Mautern gelegenen und ebenfalls von Altmann gestifteten Benediktinerklosters Göttweig zusammenhängen. Jedenfalls wurden im frühen 12. Jh. mehrere Bestätigungsurkunden an das Stift Göttweig durch Passauer Bischöfe sowie durch Kaiser Heinrich IV. ausgestellt, in der u.a. die Pfarre Mautern mit Ausnahme der St. Nikola zugehörigen Zehentrechte an Göttweig übertragen wurde. In einer Urkunde Bischof Ulrichs v. Passau von 1096 (recte 1125/1130: Zehetmayer/Weltin/Weltin (Hg.) 2013, S. 11, Nr. 3) und dem „Gründungsbericht“ des Stiftes Göttweig vom 9. September 1083 (recte 1140/1170: Zehetmayer/Weltin/Weltin (Hg.) 2013, S. 118, Nr. 3) werden zudem neben der Mauterner Margarethenkapelle auch ein murale, infra quod capella s. Agapiti genannt. Da die Kapelle im Nikolaihof noch heute dieses Patrozinium trägt und dieses auch durch ein Schreiben, das 1870 im Dachknauf des Dachreiters der Kapelle gefunden wurde, bestätigt ist, liegt damit indirekt ein Hinweis auf den Bestand des Klosterhofes vor.

Allerdings wird bereits im Rahmen einer Synode, die unter der Leitung des Passauer Bischofs Pilgrim (Amtszeit 971–911) in Mautern stattfand, als Versammlungsort eine basilica Agapiti martyris genannt. Diese Nennung deutlich vor der Gründung von St. Nikola und das ungewöhnliche Patrozinium, das mit dem Märtyrer Agapitus von Praenestre identifiziert wird, wurden bereits in älterer Literatur mit einem Vorbesitz des Benediktinerstifts Kremsmünster in Verbindung gebracht, da Reliquien des Heiligen seit 893 in den Klosterquellen fassbar sind und dieser bei der Neuweihe der Klosterkirche 1082 durch Altmann v. Passau zum Nebenpatron des Hauptaltars erhoben wurde. Allerdings gibt es keine schriftliche Überlieferung, die diesen Besitzübertrag von Kremsmünster auf St. Nikola erhärten würde. Die nächste urkundlich Nennung, die gesichert auf die Kapelle im Nikolaihof bezogen werden kann, datiert zu 1223. Der Passauer Bischof Gebhard (I.) v. Plain (Amtszeit 1222–1232) schenkte dem Kloster St. Nikola Burgrechtsdienste des Hofes in „Ruth“; als Ausstellungsort wird S. Agepiti [sic!] in Mautarn genannt (BAW (Hg.) 1765, S. 331–332, Nr. 17).

Bis 1803, d.h. bis zur Sequestrierung von St. Nikola, verblieb der Hof in Mautern im Klosterbesitz und wurde in weiterer Folge an Private verkauft. Seit 1894 befindet sich das Weingut im Besitz der Familie Saahs.

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Wirtschaftsgeschichte

Für die Bau- und Nutzungsgeschichte sind die überlieferten Rechnungsbücher von großer Bedeutung. So sind für den Zeitraum 1440–1449 Baumaßnahmen im/für einen Pferdestall, in der Küche und einer Kammer sowie im Getreidekasten belegt (vgl. BayHStA, Kloster St. Nikola Passau, Amtsbücher und Akten 418). 1517 werden Bau- und Renovierungsmaßnahmen in diversen Ställen, einer Speisekammer und der Sakristei erwähnt (vgl. BayHStA, Kloster St. Nikola Passau, Amtsbücher und Akten 389). Nachdem für 1648 Erneuerungsarbeiten an der Weinpresse überliefert sind (vgl. BayHStA, Kloster St. Nikola Passau, Amtsbücher und Akten 425), stammen die nächsten abgerechneten Bautätigkeiten erst aus dem 18. Jh.: So wurden 1710 Dächer und abermals die Weinpresse partiell erneuert sowie in Wirtschaftsbereichen – Ställe, Getreidekasten, Keller – und in einzelnen Wohnräumen Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Außerdem wurde die Hälfte der Mauer im „Stadtgarten“ (neu) errichtet (vgl. BayHStA, Kloster St. Nikola Passau Amtsbücher und Akten 426). Weitere Belege stammen aus den Jahren 1710 bzw. 1741 und benennen zudem Erneuerungen von Fenstern, Türen und Öfen sowie neue Decken in bestimmten Wohnbereichen sowie Ausbesserungsarbeiten in der Küche (vgl. BayHStA, Kloster St. Nikola Passau Amtsbücher und Akten 1790). Damit liefern die Baurechnungen ein eindrückliches Bild von der wirtschaftlichen Infrastruktur wie auch von den Wohn- und Arbeitsräumen bestimmter am Nikolaihof tätiger Personen, wie des Verwalters, des Binders und der Köchin. Nebst der Vinifikation treten vor allem die Speicherräume von Getreide – explizit wird Weizen genannt – und Stallhaltung für Pferde, Schweine und „Vieh“ in den Vordergrund. Damit kann der Nikolaihof zumindest in der Neuzeit als vielschichtiger Wirtschaftskomplex beschrieben werden.

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Gebäude und Bauhistorie

Baubeschreibung

Das Grundstück des Nikolaihofs wird heute durch einen vierflügeligen Baukomplex im SO der Parzelle 55/1 und eine große Gartenfläche im Norden und Nordwesten geprägt. Das gesamte Gartenareal ist straßenseitig von einer Mauer umgeben, deren Altersbestimmung sich durch flächigen Putz entzieht. Auch die Putzoberflächen der hist. Gebäudetrakte sind volldeckend und stammen aus dem 20. Jh.: Sie sind durchgängig monochrom ockergrau gestaltet, wobei Fenster und Türöffnungen mit weißen Putzrahmen versehen wurden. Einzig die Kapelle hebt sich durch eine gelbe Farbfassung vom übrigen Gebäudebestand ab. Der heutige Hauptzugang erfolgt von O durch die Nikolaigasse, wobei ein weiterer Zugang von W durch die Kirchengasse (zwischen Kirchengasse 6 und Rathausplatz 2) gegeben ist.

Der durchgängig zweigeschoßige Gebäudebestand umschließt einen zentralen Hof, ohne dabei eine einheitliche Firstlinie auszubilden. An der Nordwestecke des Komplexes ragt ein moderner Anbau in Holzständerbauweise in das Gartenareal, ein weiterer, im Grundriss quadratischer Anbau mit Loggia in Massivbauweise im südwestl. Gartenareal stellt ebenso eine Baumaßnahme des späten 20. Jhs. dar.

Der O-Flügel der Anlage wird durch die zentrale Toreinfahrt in einen nördl. und einen südl. Teil getrennt, wobei für die Torsituation beide Bauten nach innen mit abgerundeten Ecken zur eigentlichen Einfahrt verjüngen. Das Tor besitzt ein einfach nach innen gestuftes Sandsteingewände mit Segmentbogen und Radabweisern. Der nördl. Teil des O-Flügels – heute für Gastronomiezwecke genutzt – ist zweihüftig und besteht im EG aus einem gassenseitigen, tonnengewölbten Gang mit Stichkappen und drei hofseitigen Räumen, von denen der südlichste, schmale Raum die Treppe vom Innenhof in das Obergeschoß enthält. Das hofseitige Barockportal ist am Sturz mit der Jahreszahl 1658 bezeichnet. Der darunter befindliche Restraum ist tonnengewölbt mit gratartig aufgeputzten Stichkappen. Auch die nördl. anschließenden Räume weisen Tonnengewölbe, z.T. mit Negativabdrücken der ehemaligen Schalbretter, auf. Weiter nördl. anschließende Räume wurden rezent für Verkaufsräume und Nasszellen abgetrennt, nach W schließt ein weiterer Gastraum an. Das OG ist vom Treppenhaus im S durch einen N-S verlaufenden Mittelflur erschlossen, der gassenseitig vier, durch dünne, neuzeitliche Zwischenmauern abgetrennte und tonnengewölbte Räume und hofseitig durch zwei weitere Räume mit durch barocke Putzspiegel dekorierte Flachdecken strukturiert ist. Nördl. anschließend folgt ein Korridor zum OG des N-Trakts. Der S-Teil des O-Flügels ist hingegen nur einhüftig und liegt in der Flucht der gassenseitigen Räume des N-Teils. Er enthält im EG 4 tonnengewölbte Räume mit z.T. modernen Einbauten (u.a. Nasszellen). Das Obergeschoß enthält einen großen, flach gedeckten Saal, der über einen kleinen, kreuzgratgewölbten Raum mit dem N-Teil verbunden ist. Ein erkerartiger Vorsprung im OG an der nördl. Stirnseite Richtung Toreinfahrt besitzt in einer blendenartigen Mauerverjüngung ein Spitzbogenfenster. Gemeinsam mit einem zweiten, fassadenseitig vermauerten Spitzbogenfenster an der gassenseitigen O-Mauer könnten dies Indizien für eine spätmittelalterliche Holzstube mit zweiseitiger Fenstergruppe sein. Hofseitig wurde im ausgehenden 20. Jh. ein hölzerner Anbau in Ständerbauweise vorgelagert, der über eine Treppe den S-Flügel erschließt.

Der S-Flügel ist im Verlauf leicht geknickt und weist im EG einen großen, tonnengewölbten, saalartigen Raum auf, über dem sich ein ebenso großer, zum Dachwerk hin offener, zweiter Saalraum erstreckt. Zur statischen Unterstützung besitzt der Trakt hofseitig drei Stützpfeiler, von denen zwei vom hölzernen Anbau/Stiegenhaus überbaut sind. Nach W schließt ein achsial verschwenkter, halboffener und flach gedeckter Zwischenraum an, der den Zugang zum Keller vermittelt und durch eine rezente Mauer vom südlichsten Raum des W-Trakts getrennt ist. Dem entspricht ein übereck verlaufender Raum im Obergeschoß.

Der W-Flügel setzt sich aus zwei Hauptgebäuden – der Kapelle und dem Presshaus/Saalbau – zusammen, die über Jh. zu einem komplexen Raumsystem mit mehr oder weniger einheitlicher Hoffassadenflucht verbunden wurden. Dabei bildete der südlichste Raum (heute Büro des Weinguts) ursprünglich eine Tordurchfahrt in einen Innenhof und von dort in die Kirchengasse, wobei die heutigen Nutzungsniveaus stark divergieren. Daran schließt nördl. die dem Hl. Agapit von Praenestre geweihte Kapelle an. Es handelt sich heute um einen rechteckigen Saalbau, der nach der Profanierung des Sakralbaus im 19. Jh. ein Zwischengewölbe erhielt und dadurch in zwei Geschoße aufgeteilt wurde. Im heutigen OG blieb aber das originale Netzrippengewölbe erhalten, im EG sind im W-Teil des Raumes noch die Rippenanläufe für eine ehemalige Empore vorhanden. Archäologische Ausgrabungen und geophysikalische Prospektion erbrachten den Nachweis, dass der Sakralbau zu einem heute unbekannten Zeitpunkt beinahe doppelt so groß war und weit in den Innenhof ragte. Das in einer schmalen Reihe zwischen Kapelle und Saalbau/Presshau zugängliche Mauerwerk weist streng lagigen Versatz von kleinformatigem, plattigen Bruchstein auf, das zeitlich mit Vorsicht in das 11./12. Jh. gestellt werden kann. Die unverputzte W-Mauer zeigt hingegen Zwickelmauerwerk mit Ziegelsplitt, in dem restauratorisch stark überformtes, spätromanisch-frühgotisches Spitzbogenportal mit gekehlt profiliertem Gewände und klauenartigen Anläufen sekundär verbaut wurde. Nur in der untersten, heute noch sichtbaren Steinlage ist quaderhaftes Bruchsteinmauerwerk der romanischen Vorgängerphase erkennbar. Auf dem Ostabschluss sitzt ein Dachreiter mit Glockenstube, der aus Vollziegelmauerwerk errichtet wurde. Bei der Öffnung des Dachknaufs um 1870 wurde nebst diverser Religiosa eine Bauinschrift, datiert 1750, aufgefunden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit den Errichtungszeitpunkt wiedergibt (Karner 1870).

Durch eine ca. 1 m breite, ehemalige Reiche getrennt, die nach Ausweis der Befunde im Dachgeschoß im späten 15. Jh. geschlossen wurde, schließt nördl. an die Kapelle ein großer, 2-geschoßiger Saalbau an, dessen Erdgeschoß bis heute als Presshaus dient, wofür der hier befindliche große Pressbaum ein eindrückliches Zeugnis abgibt. Während die Nord- und Westmauer miteinander verzahnt sind und aus überwiegend rötlich gefärbtem, lagerhaft versetzten, blockhaften Bruchsteinmauerwerk mit 2,1 m Mauerstärke bestehen, sind die S- und N-Mauer an diese angebaut und zeigen plattiges 1,2 m starkes Gneis-Bruchsteinmauerwerk in lagerhaftem Versatz mit Pietra Rasa-Verputz an der Innen- und Außenseite. Das ältere Mauerwerk zieht entlang der Westseite als Grundstücksmauer weiter und lässt sich südseitig im Bereich der SW-Ecke des Innenhofes verfolgen. Aufgrund der Ausgrabungsergebnisse von 2017/18 kann dies als Außenmauer eines spätantiken Klein-/Restkastells angesprochen werden. In diesen wurden nach Ausweis der primären Balkendecken beider Geschoße um/knapp nach 2017/18 besagter Saalbau eingestellt. Eine primäre hochrechteckige Öffnung in der Giebelwand des Dachgeschoßes indiziert die primäre Nutzung desselben als Lagerraum, Putzabdrücke ebenda könnten darüber hinaus einen Hinweis auf einen architektonisch betonten Hocheinstieg in der romanischen O-Mauer sein. Hofseitig läuft vor dem Saalbau, der hofseitig gegenüber der Kapelle ursprünglich um gute 2 m nach hinten/W versetzt war, ein korridorartiger Längsraum durch, dem im 1. Obergeschoß zwei Zimmer, davon das nördl. mit barockem Putzspiel, entspricht. Nördl. schließt an den Saalbau eine ehem. Weitere Tordurchfahrt an, die ebenfalls ab dem Barock in mehreren Bauphasen überbaut wurde, wovon ein weiterer Wohnraum über der Einfahrtshalle mit Putzspiegel zeugt. Vom Vorraum in der südwestl. Hofecke führt eine Treppe, in der tlw. Stufen einer älteren Wendeltreppe verbaut wurde, in den Weinkeller. Dieser besteht aus drei Räumen, die die Agapitkapelle umlaufen und somit einerseits unter dem kleinen Innenhof im SW sowie unter dem Saalbau liegen. Mit Zwickelmauerwerk wurden für den Kellerbau die spätantiken Mauerfundamente unterfangen, die Gewölbe wurden in Vollziegelmauerwerk ausgeführt, womit diese eindeutig nicht zur romanischen Primärsubstanz der Anlage gehören, sondern erst im 15./16. Jh. angelegt wurden.

Der N-Trakt besteht aus einem dreiteiligen Baukörper mit hofseitig vorgelagertem Flur/Korridor im W und einem ehemals zweiräumigen Raumflucht im O, wobei der östl. Raum ursprünglich eine Tordurchfahrt in den nördl. anschließenden Garten bildet. An der Schnittstelle zwischen W-Teil und O-Teil springt ein barockes Treppenhaus risalitartig in den Garten vor, die gemeinsam mit einer hofseitigen Tür, bezeichnet „E.B. M.H.1656“, und einer kleinen Freitreppe eine zweite Kommunikationsachse zwischen Garten und Innenhof bildet und dessen Flur ein Tonnengewölbe mit gratartig aufgeputzten Stichkappen aufweist. Das Erdgeschoßniveau des hofseitigen Korridors vor dem W-Gebäude des N-Trakts wurde um 1990 von Schutt befreit. Dabei kam an der vermeintlichen Zwischenmauer zwischen Korridor und Hauptgebäude spätromanisches, lagerhaftes Bruchsteinmauerwerk mit flächigem Pietra Rasa-Putz zum Vorschein, das die ursprüngliche Hoffront dieses Gebäudes bildete. Die massiven Zwischenmauern indizieren eine primäre, dreiteilige Konzeption des zweigeschoßigen Baus, wobei die Erdgeschoßräume von massiven Tonnengewölben mit Schalbrettabdrücken überdeckt werden. Im Obergeschoß schmücken barocke Stuckspiegel die Flachdecken der Wohnräume. Der N-Trakt überbaut in seinem O-Bereich einen spätantiken Hufeisenturm des östl. Lagermauer von Favianis, der vom östl. Raum des W-Teils aus zugänglich ist. Die S-Mauer ist auch vom hofseitig gelegenen Korridor aus sichtbar, hier bindet auch die ehemalige Kastellmauer ein und zeigt ihren weiteren Verlauf durch die Mitte des Innenhofs an. An die W-Ecke des Hufeisenturms ist der romanische Baukörper des W-Teils angebaut.

Thomas Kühtreiber, "Nikolaihof" (Baubeschreibung) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
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Bauhistorische Interpretation

Archäologische Ausgrabungen bestätigten nicht nur, dass sich im Areal des späteren Nikolaihofs mehrphasige bauliche Reste der Innenbebauung sowie der Außenbefestigungen des Kastells Favianis aus dem 2. bis 5 Jh. n. Chr. befinden, sondern es konnte zuletzt der Nachweis erbracht werden, dass vor allem die spätantiken Strukturen, allen voran ein Kleinkastell für die militärische Restmannschaft, strukturell bestimmend für die nachantike Bauentwicklung war. So könnte auch die Nennung einer murale, infra quod capella s. Agapiti in Passauer Bestätigungsurkunden für das Stift Göttweig im 12. Jh., mit diesen Strukturen in Verbindung stehen. Jedenfalls stehen zwei der ältesten mittelalterlichen Bauteile – Agapitkapelle und der Saalbau/das Presshaus innerhalb des spätantiken Mauergevierts. Der romanische (Wohn-)Bau im N-Trakt wurde wiederum an den spätantiken Hufeisenturm angebaut, alle drei Bauten berücksichtigen den Verlauf der östl. Lagermauer als O-Begrenzung der Anlage.

Mit Vorsicht kann als ältester mittelalterlicher Bau die Agapitkapelle identifiziert werden. Das kleinformatige, plattige und streng lagige Bruchsteinmauerwerk mit Pietra Rasa-Putz kann zeitlich mit Vorsicht in das 11./12. Jh. gestellt werden. Unter Berücksichtigung der Nennung eines dem Hl. Agapitus geweihten Sakralbau im Mautern anlässlich einer Bischofssynode im späten 10. Jh. und dem auf geophysikalischer Prospektion und Altgrabungen beruhenden Befund, dass die Kapelle ehedem noch um gute 10 m weiter nach O reichte, ist auch eine Datierung des Baus vor die erste Jahrtausendwende nicht auszuschließen. Die These eines frühen geistlichen Zentrums wird darüber hinaus über den Nachweis von Gräbern des 9./10. Jhs. im Bereich des O-Trakts (Ertel u.a. 1992) sowie südwestl. bzw. südl. des Nikolaihofs in der Kirchengasse und in der St. Pöltner Straße unterstützt. Nördl. der Agapitkapelle und durch eine schmale Reiche getrennt, aber noch innerhalb des spätantiken Restkastells wurde den dendrochronologischen Datierungen der Balkendecken zufolge um/knapp nach 1217/18 der Saalbau mit dem Presshaus im EG errichtet. Diese Datierung wird durch das spätromanische Mauerwerk der S-Mauer unterstützt. Ungefähr zeitgleich – eine genaue zeitliche Einordnung ist mangels datierbaren Bauholzes und moderner Grabungen derzeit nicht möglich – wurde im W-Bereich des späteren N-Trakts ein Massivbau errichtet, der mutmaßlich bereits zur Errichtungszeit in beiden Geschoßen dreiteilig konzipiert war. Die Nutzung als zentrales Wohngebäude, das ab dem 15./16. Jh. als gesichert gilt, kann mit Vorsicht auch für den spätromanischen Bau angenommen werden. Damit verfügte die Anlage des 13. Jhs. wohl bereits über mindestens 3 funktional ausdifferenzierte Baukörper mit Wohnbau, Saalbau/Presshaus und Kapelle. Unmittelbar östl. der O-Mauer der Kapelle verlief noch die spätantike Kastellmauer, sodass hier nur von einem sehr kleinen Innenhof auszugehen ist. Mutmaßlich war der frühe Nikolaihof daher von W über die Kremser Straße und/oder die Kirchengasse erschlossen.

Mit der bauhistorisch belegten Verlegung der Stadtmauer nach O im 15. Jh. bestand auch die Möglichkeit zur Erweiterung des Klosterhofs bis auf jene Linie, die heute durch die Nikolaigasse definiert wird. Darauf verweisen nicht nur die (Um-)Baumaßnahmen in den 1440er-Jahren, sondern auch die aus spätgotischem Zwickelmauerwerk bestehende Bausubstanz des S- bzw. südl. O-Trakts mit den in den Rechnungen genannten Stallungen und Speicherböden für Getreide. In diesem Zuge entstand auch die neue Hauptzufahrt von O, die ursprünglich durch einen Torturm baulich akzentuiert war. Reste dieses Turms sind noch im Dachraum erhalten. 1495 erhielt nach Ausweis der Dendrodaten die Agapitkapelle einen neuen Dachstuhl, der in die W-Mauer einbindet. Auch der Einbau des spätgotischen Netzrippengewölbes fällt in diese Zeit, mutmaßlich auch die bauliche Reduktion des Schiffs, womit die heutige Innenhoffläche geschaffen wurde. Für das Jahr 1517 sind nicht nur weitere Adaptierungsarbeiten an den Wirtschaftsbauten überliefert, sondern die (Um)Baumaßnahmen an der „Sakristei“ korrespondieren mit der Erweiterung des W-Trakts nördl. des Saalbaus bis zum N-Trakt, die über Dendrodaten aus dem Dachwerk in dasselbe Jahr datiert werden können. Um die M. d. 16. Jhs., der dendrochronologischen Datierung der hölzernen Stützsäulen für den zentralen Unterzug um/knapp nach 1557 wurde der Saal im OG des Saalbaus in einen Getreidespeicher umgebaut, worauf auch die kleinen, querrechteckigen Fensteröffnungen hinweisen. Nach 1589 wurde die hofseitige Front des Saalbaus durch einen Vorbau an jene der Kapelle und der nördl. anschließenden Durchfahrt angeglichen. Darüber hinaus wurde im 16. Jh. der kleine Innenhof westl. der Agapitkapelle als Bestattungsplatz genutzt. Grabplatten, die sich heute in der Pfarrkirche von Stratzing befinden, vormals im Aldersbacher Hof in Gneixendorf verbaut waren und Hofmeister und andere Geistliche von St. Nikola inschriftlich nennen, könnten ursprünglich diese Gräber bedeckt haben (Zajic 2008, Kat.-Nr. 322, 323, 335, 342, 358). Ebenfalls in das sp. 15.–16. Jh. fällt die Unterkellerung des W-Trakts, worauf das Zwickelmauerwerk und die Ziegelgewölbe zeitlich verweisen.

Um die M. des 17. Jhs. erfolgte die Erweiterung des N-Trakts nach O sowie die Vereinheitlichung der Hoffassaden an der N- und O-Seite, worauf die Dendrodaten des Dachwerks sowie die Jahreszahlen „1656“ am barocken Türgewände am N-Trakt sowie „1658“ am N-Gebäude des O-Trakts hinweisen. Im 18. Jh. erfolgen in mehreren Phasen weitere Renovierungs- und Umbaumaßnahmen, zu denen der Einbau der barocken Stuckdecken in den Wohnräumen, die Errichtung des Dachreiters der Agapitkapelle um 1750 sowie das Dachwerk des S-Teils des O-Trakts zählen.

Um 1820 bestanden nach Ausweis des Franz. Kat. (NÖLA, FK Mappen OW 314, fol. 3) westlich der heutigen Anlage noch weitere Gebäude, den hakenförmig an die nördl. Häuserzeile in der Kirchengasse anschlossen und hier einen weiteren Hof bildeten. Diese waren durch die Tordurchfahrt zwischen Saalbau/Presshaus und N-Trakt mit dem Haupthof verbunden. Wann diese abgerissen wurden, ist derzeit noch unbekannt, allerdings können Erneuerungsarbeiten am Dachwerk des N-Trakts, die inschriftlich bzw. dendrochronologisch um die M. d. 19. Jhs. datiert werden können, als Indiz für größere bauliche Maßnahmen in diesem Zeitraum gewertet werden. Diese – und auch die Sanierung des Glockentürmchens der Kapelle um 1870 (Karner 1870) fallen allerdings bereits in die Zeit nach dem Verkauf des ehemaligen Klosterhofes an private Hände.

Zusammenfassend lässt sich somit heute ein Bestand von mindestens sechs historischen Gebäuden in den vier erhaltenen Trakten fassen, die durch vier Tordurchfahren Richtung SW (Kirchengasse), NW (Kremser Straße), N (Garten) und O (heute noch bestehend Richtung Nikolaigasse) und ein repräsentatives Treppenhaus Richtung Garten verbunden waren. Als Hauptwohnbauten sind dabei das westl. Gebäude im N-Trakt, das nördl. Gebäude im O-Trakt sowie die hofseitigen Raumfluchten im Obergeschoß des W-Traktes zu identifizieren. Der S-Trakt sowie der südl. Teil des O-Trakts diente im Erdgeschoß als Stallungen, im Obergeschoß zumindest teilweise für Lager- und Speicherzwecke. Für die Vinifikation diente vorrangig das Erdgeschoß des romanischen Saalbaus, das Obergeschoß hingegen wohl primär repräsentativen Zwecken, ab dem 16. Jh. aber als Getreidespeicher umgewidmet wurde. Die Weinkeller wurden nach derzeitigem Forschungsstand frühestens im sp. 15. Jh. angelegt. Die Agapit-Kapelle diente bis in das 18. Jh. als Sakralraum und wurde nach der Sequestrierung im 19. Jh. profaniert und für Wohnzwecke baulich umgestaltet. Über die Nutzung der im 19. Jh. abgerissenen Gebäude westl. des Haupthofes können keine Angaben getätigt werden.

Thomas Kühtreiber, "Nikolaihof" (Bauhistorische Interpretation) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
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Quellen und Literatur

Quellen

Der Bestand des Klosters St. Nikola bei Passau im BayHStA ist als äußerst umfangreich zu bezeichnen, wenn auch die Archivalien mit Stein- oder Joching-Bezug deutlich seltener sind. Die Urkunden sind online über monasterium.net einzusehen, die restlichen Bestände (Amtsbücher u. Akten) sind über das online zur Verfügung stehende Findmittel einsehbar. Bei den Akten sind die für die Besitzung in Stein relevanten Archivalien dem Amt Mautern zugeordnet. Dem Verzeichnis nach handelt es sich hierbei um vier Nummern (1782-1785) mit Laufzeit von 1553-1718. Darin enthalten sind beispielsweise Akten zu den Bauarbeiten an einem Haus in Stein, das laut Regest 1571 durch den Mauterner Hofmeister von Ambros Helb erworben worden war (vgl. BayHStA, Kloster St. Nikola Passau Amtsbücher und Akten 1783). Nr. 1784 enthält Archivalien zum Nikolaischen Haus in Stein (vgl. BayHStA, Kloster St. Nikola Passau Amtsbücher und Akten 1784). Auch vorhanden sind die Archivalien zur Abtretung des, laut Regest, baufälligen nikolaischen Hauses in Stein an die Stadt zwischen 1717 und 1718 (vgl. BayHStA, Kloster St. Nikola Passau Amtsbücher und Akten 1785). Angesichts dessen, dass das Haus in Stein offensichtlich dem Amt Mautern zugerechnet wurde, sind die potentiell relevanten Amtsbücher ebenfalls unter dieser Verzeichnungseinheit zu vermuten. Dazu gehören neben den Rechnungen der Verwalter in Mautern vom frühen 18. Jh. (vgl. BayHStA, Kloster St. Nikola Passau Amtsbücher und Akten 429-431), auch das Verzeichnis der Einnahmen und Ausgaben von 1648 (vgl. BayHStA, Kloster St. Nikola Passau Amtsbücher und Akten 425). Im Bestand "Landshuter Abgabe 1982" des BayHStAs sind außerdem zwei Grund- und Gewer- sowie Stiftbücher des Hofes in Joching (1584-1622 bzw. 1626) enthalten (vgl. BayHStA, Landshuter Abgabe 1982, St. Nikola B 131 u. 132), sowie die Abschrift eines Urbars der Besitzungen in Österreich von 1471 aus dem 18. Jh. (vgl. BayHStA, Landshuter Abgabe 1982, St. Nikola B 102).

Historische Literatur

Bayerische Akademie der Wissenschaften, Hg., Monumenta Boica, Bd. 4, München 1765.

Maximilian Weltin / Roman Zehetmayer, Hg., Niederösterreichisches Urkundenbuch, Bd. 1: 777 bis 1076, St. Pölten 2008.

Roman Zehetmayer / Dagmar Weltin / Maximilian Weltin, Hg., Niederösterreichisches Urkundenbuch, Bd. 2: 1078-1158, St. Pölten 2013.

Bauhistorische/archäologische Literatur

NÖLA, FK Mappen OW 314.


Christine Ertel u.a., Archäologie und Denkmalpflege in Mautern. Grabungen im Nikolaihof 1992, in: Carnuntum Jahrbuch 1992 (1993), S. 93–130.

Markus Jeitler, Der Nikolaihof im Früh- und Hochmittelalter, unveröffentlichtes Manuskript, Wien 2020.

P. Lambert Karner, Die St. Agapituskapelle in Mautern, in: Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 4 (1870), S. 184–186.

Heinrich Zabehlicky, Grabungen im Nikolaihof 1988/89. in: Verena Gassner u.a., Hg., Das Kastell Mautern- Favianis. Der Römische Limes in Österreich 39, Wien 2000, S. 69–90.

Andreas Zajic (Bearb.), Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Teil 3: Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems (Die Deutschen Inschriften 72), Wien 2008.

Ursula Zimmermann, Grabungen im Westtrakt des Nikolaihofs/Mautern, in: Fundberichte aus Österreich 57 (2018), D2251 – D2264 (digitaler Teil).