Obere Landstraße 21
3500 Krems an der Donau
3500 Krems an der Donau
Funktion als Klosterhof gesichert
Erhaltungszustand
Bestand erhalten
Kloster oder Institution
Datierung
Zugänglichkeit
Der ehem. Lesehof des Augustiner-Chorherrenstiftes Klosterneuburg ist mit der Hausnr. 21 im westl. Abschnitt der Oberen Landstraße etwa 100 m östl. des Steiner Tores an der südl. Straßenseite situiert und bildet damit das einzige Beispiel eines Stadtkremser Lesehofes, der direkt an dieser Hauptverkehrsachse gelegen ist.
Alarich Langendorf / Andreas Steininger, "Klosterneuburger Hof" (Lagebeschreibung) Wachauer Klosterhöfe Online 2022,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/58-klosterneuburger-hof
Im Codex traditionum von Klosterneuburg findet sich um 1195 ein Eintrag, dass eine Frau namens Pertha als Seelgerät (pro remedio anime) an Stift Klosterneuburg 2 Häuser in Chremis gibt – ein Wohn- und ein Badehaus (unam balnearm et alteram mansionariam) (Fischer (Hg.) 1854, S. 159, Nr. 718). In einer fast identen Urkunde wird statt des genannten Wohnhauses ein Haus genannt, das sie bewohnt (et alteram in qua habitabat) (Fischer (Hg.) 1854, Nr. 727). Beim Badehaus dürfte es sich um das heute nicht mehr bestehende Höllbad (bis kurz nach 1900 an der Ecke Dreifaltigkeitsplatz/Gartenaugasse) handeln. Das o.g. Haus ist nicht zu verorten und ist nicht mit dem späteren Stiftshof in der Oberen Landstraße 21 ident.
Im Grundbuch des Stiftes Klosterneuburg über den Besitz in Krems aus 1432 wird der Dyenst an sand Mertetag von Tuenfoyt gartn und haws 6 # d und der dienst ze weychnachtn von dem Tuenfoyt gartn und des Speyser haws 6 # d genannt (StaA Krems, GB Klosterneuburg 1432/Nr.3/12v, 14r). Melchior Speiser wird in Urkunden als Bürger von Stein genannt (StiA Kremsmünster, 1443 Dez 4).
Im Grundbuch aus 1518 ist folgender Eintrag zu finden: von ainem Haus genant das Judenhaus – ist Closternewburger hoff – 23 d (StiA Klosterneuburg GB 31/1 GB Klosterneuburg 1518, fol. 2v), 1520 lautet der Eintrag: von ainem Haws genant das Judenhaws – 23 d (StaA Krems, GB Klosterneuburg 1520/Nr. 6/ fol. 3r) und Haus und Hofstatt, jetzt Zuhäusl im Klosterneuburgerhof 2 d (StaA Krems, GB Klosterneuburg 1520/Nr. 6/fol. 3r; NÖLA, KG Krems 116/1, fol. 4r).
1584 lautet der Grundbuchseintrag: von einem Haus genannt das Judenhaus – ist jetzt der Garten beim Hof (NÖLA, KG Krems 116/1, fol. 3v) bzw. des Speiserhaus jetz genandt Closterneuburger Hoff mitsambt dem Zuehauß dabey und dem Garten dahindter genandt der Tumphat oder Judengarten. Ist ainem Herrn Prelaten vorbehalten und unverlassen (NÖLA, KG Krems 116/1, 28r).
Alle diese Einträge deuten darauf hin, dass sich das Haus und der Garten mit Hofstatt südl. davon vor 1421 in jüdischem Besitz befanden. Viele Häuser in der Oberen Landstraße hatten Juden und Jüdinnen als Besitzer:innen und auch im Bereich der Gartengasse gab es jüdische Häuser – 1432 könnte Melchior Speiser das Haus aus landesfürstlichem Besitz erworben haben; für das Haus in der Gartengasse sind im Grundbuch der Pfarre aus ca. 1380 2 Besitzer für jeweils eine Haushälfte genannt: Auerl iudeus und Hetschel de Hedersdorff (Ebner 1965, Nr. 184 und 185).
Aus 1451 ist ein Hinlaßbrief des Ambtes zu Krembs erhalten, in dem Peter Furbringer, Bürger zu Stein, mit einer Pachtsumme von 32 Pfund Pfennig jährlich zu Weihnachten als Pächter aufscheint (StiA Klosterneuburg, HS 6, fol. 5v).
1520 gab Propst Georg zu Klosterneuburg dem Hans Reithmayr, Bürger zu Krems, einen Bestandbrief um das Ambt und Grundtbuch zu Krems, nemblich den Hoff, Gartten, Häußl, Padstuben und 17 ¾ Joch Weingarten auf 15 Jahre um 75 Pfund Pfennig jährlich (StiA Klosterneuburg, HS 9/3, Nr. 235 – 1520 Feb 14; Holubar 1994, S. 70).
Ab 1661 bestanden Pläne, den Hof zu verkaufen; 1686 wurde er schließlich an den kaiserlichen Rat Mattheus Ernst Spindler von und zu Hoffegg und Albrechtsberg um 4.000 fl verkauft – der Hof mit allen Nebengebäuden, einem von einer Mauer umfriedeten großen Garten, 10 Grundbüchern und 24 V. Weingärten; der Vertrag wurde am 18.3.1686 unterfertigt (Holubar 1994, S. 72).
Helga Schönfellner-Lechner, "Klosterneuburger Hof" (Besitzgeschichte) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/58-klosterneuburger-hof
Die im Projekt vorgesehene Begehung konnte bislang noch nicht durchgeführt werden, weswegen sich die folgende Erstbeschreibung, neben den von außen einsehbaren Elementen, vorerst auf historische Pläne stützt.
Die Anlage fügt sich in die enge, streifenförmige NW-SO orientierte Parzellierung der Landstraße ein und setzt sich aus einem 20 m nach S reichenden, 5-achsigen und 2-geschoßigen giebelständigen Gebäude im N und einen 12 m tiefen, ebenfalls 2-geschoßigen Bau im S des Grundstückes zusammen, die durch 2 schmale Seitentrakte miteinander verbunden sind und einen 16 x 8 m großen Innenhof umgeben. Südl. dieses dicht bebauten Bereiches schließt sich bis zur Gartengasse eine von einer Umfassungsmauer umgebene Gartenfläche an.
Die Fassade des N-Traktes weist über der späthistoristisch mit einzelnen Jugendstilelementen dekorierten Auslagenverbauung in der Erdgeschoßebene (nach einer rezenten Sanierung) noch die renaissancezeitliche Gestaltung mit Diamant-Ortsteinquaderung und einfacher Quaderung in der Gesimszone auf. Die 5 Obergeschoßfenster zeigen Gestaltungen in Form von Werksteinrahmungen und -sohlbänken sowie mehrfach profilierte Verdachungen. Für das Obergeschoß weisen 2 vermauerte, ebenfalls werksteingerahmte, rundbogige Ladeöffnungen auf die Funktion eines Speicher- bzw. Schüttbodens hin, der nach Aufgabe der Öffnungen mit quadratischen Lüftungsfenstern versehen wurde. Das doppelte Schopfwalmdach liegt straßenseitig hinter der hochgezogenen Fassadenfront verborgen.
Der S-Trakt zeigt sich in Richtung Gartengasse heute ohne Gliederung glatt verputzt, eine rezent vorgesetzte Veranda verstellt den östl. Teil der S-Front. Das Gebäude wird noch vom bemerkenswert hoch aufragenden spätmittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Krüppelwalmdach mit hohen, teils mehrfaches Profilgesims aufweisenden Schornsteinen geprägt. Im SW erhebt sich als Eckrisalit ein über die Trauflinie reichender quadratischer Treppenturm mit Pyramidendach, der baulich allerdings eher im Gefüge des westl. Nachbarn zu stehen scheint.
Eine schmale Einfahrt führt von der südl. Gartenfläche in den längsrechteckigen Hof. Dieser weist an seiner S- und O-Seite einen spätgotisch bis frührenaissancezeitlich gestalteten kreuzgratgewölbten Laubengang auf, der über weit gespannte Blendbögen auf abgefasten Pfeilern mit geschweiften Konsolen ruht. Die rundbogigen Arkaden stehen auf oktogonalen Pfeilern mit abgetreppten Trompen, die über die Brüstung bis auf das Gehniveau verlängert sind. Vom S-Trakt aus führt ein aufwändiges Rechteckportal mit mehrfach profilierter gerader Verdachung auf den Gang. In der SW-Ecke des Hofes ragt ein runder Wendeltreppenturm mit Kegeldach aus der Dachfläche des W-Traktes. Gemeinsam mit dem Laubengangsystem waren über diesen die Geschoße der 3 südl. Trakte erschlossen. Ebenfalls in der SW-Ecke blieb ein Brunnen erhalten, der bereits auf Zeichnungen von 1905 zu sehen ist und schon im frühen 20. Jh. einen Aufsatz mit Schwengelpumpe erhalten haben muss, wie Zeichnungen und Fotos aus dieser Zeit suggerieren.
Zu den weiteren baulichen Eigenschaften des Ensembles, wie den seitlichen Trakten oder einer mutmaßlichen Unterkellerung, liegen ohne Begehung keine Informationen vor.
Alarich Langendorf / Andreas Steininger, "Klosterneuburger Hof" (Baubeschreibung) Wachauer Klosterhöfe Online 2023,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/58-klosterneuburger-hof
Der Klosterneuburger Hof zeigt sich bis heute zu weiten Teilen in seiner spätgotischen bis frührenaissancezeitlichen Erscheinung. Auch potenziell spätmittelalterliche Elemente, wie das Dachwerk des S-Traktes, prägen die Gesamterscheinung der Anlage maßgeblich. Nachdem alle diese repräsentativen Elemente in die archivalisch greifbare Zeit des klösterlichen Besitzes fallen, bildet sich bei dieser Anlage die Gelegenheit, die baulichen Aspekte eines an einer vergleichsweise ungewöhnlichen Lage repräsentativ ausgestatteten Lesehofes zu beleuchten. Insbesondere funktionale Fragen, wie die Raumgliederung der Innenbereiche oder das Bestehen von Lager- und Kellerräumen vor dem Hintergrund des Vinifikationsprozesses lassen sich ohne eingehendere Untersuchungen oder zumindest vollständige Begehungen noch nicht thematisieren.
Alarich Langendorf / Andreas Steininger, "Klosterneuburger Hof" (Bauhistorische Interpretation) Wachauer Klosterhöfe Online 2022,
https://wachauer-klosterhoefe.at/klosterhof/58-klosterneuburger-hof
Im Stiftsarchiv Klosterneuburg befinden sich heute noch einige Dokumente, die sich mit den stiftlichen Besitzungen in Krems befassen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen geschlossen aufbewahrten Bestand, sondern die Archivalien verteilen sich auf unterschiedliche Bestandsgruppen und können mithilfe des Zettelkatalogs näher lokalisiert werden. Neben einigen Urkunden, die u.a. auch über monasterium.net zugänglich sind, zählen die folgenden Kartons zu den vielversprechendsten Informationsquellen: StiA Klosterneuburg, K 12; K 16; K 20; K 49; K 71; K 74; K 110; K 186; K 187; K 412; K 415; K 471; K 600; K 896. Ebenso sind die Kartons mit den Pröpste-Korrespondenzen (StiA Klosterneuburg, K Briefe Pröpste Hechtl, Paperl; StiA Klosterneuburg, K Briefe Pröpste Scharrer, Mayr; StiA Klosterneuburg, K Briefe Pröpste Bernhard I+III) sowie StiA Klosterneuburg, GB 31/1 (Amt Krems), und StiA Klosterneuburg, HS 32/17, von Interesse. Daneben bieten die in den einschlägigen Archiven der Region überlieferten Urkunden, Gült- und Grundbücher, wie etwa im Stadtarchiv Krems, im Diözesanarchiv St. Pölten und im Niederösterreichischen Landesarchiv, Informationen zur Liegenschaft.
NÖLA, KG Krems 116/1 GB Klosterneuburg 1584/Nr. 8.
StiA Kremsmünster, 1443 Dez 4.
StiA Klosterneuburg, GB 31/1 GB Klosterneuburg 1518.
StiA Klosterneuburg, HS 6.
StiA Klosterneuburg, HS 9/3, Nr. 235 – 1520 Feb 14.
StaA Krems, GB Klosterneuburg 1432/Nr. 3.
StaA Krems, GB Klosterneuburg 1520/Nr. 6.
Herwig Ebner, Ein Urbar der Pfarre Krems aus dem 14. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Kremser Stadtarchivs 5 (1965), S. 1-122.
Maximilian Fischer, Hg., Codex traditionum ecclesiae collegiate Claustroneoburgensis, Wien 1854.
Karl Holubar, Der stiftliche Lesehof in Krems. In: Von Rebstock und Riesenfaß, Klosterneuburg-Wien 1994.